Spitzel-Affäre beim Islamverband Was Deutschland in Sachen Ditib von Österreich lernen könnte

Düsseldorf · Angesichts der Spitzel-Affäre fragt sich die deutsche Politik: Wie soll man mit dem Islamverband Ditib und dessen enger Bindung zur Türkei umgehen? Unser Nachbarland Österreich hat in der Frage eine Lösung gefunden.

 Die Ditib-Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld.(Archivfoto)

Die Ditib-Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld.(Archivfoto)

Foto: dpa, obe fdt mg

Seitdem bekannt geworden ist, dass Prediger (Imame) des Islamverbands Ditib einem Aufruf der türkischen Religionsbehörde Diyanet folgend in Deutschland Anhänger des Erdogan-Erzfeindes Fethullah Gülen ausspioniert haben, gleichen sich die Forderungen aus der Politik: Ditib müsse sich schnell von der Türkei loseisen. Nach den Durchsuchungen bei Imamen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz forderte etwa Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) den Verband auf, seine Satzung zu ändern, die die enge Bindung zur türkischen Religionsbehörde festschreibt. Nahezu gleiche Sätze kommen von den Grünen, der FDP und der Union.

Enge Kontakte liegen in der Natur der Sache

Pikant ist jedoch vor allem für Letztere: Es war Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann (CSU, 1982-1989), der mit dem türkischen Staat eine Vereinbarung getroffen hatte, die es der Türkei erlaubte, den in Deutschland angesiedelten Islam zu organisieren. Die Bundesregierung erhoffte sich dadurch, rechts- und linksradikale sowie kurdisch-nationalistische Gruppen zurückdrängen zu können. 1984 entstand so in Köln die Ditib - die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion. Anfangs verwaltete der Verband nur 230 Moscheegemeinden. 2002 waren es 770, heute sind es mehr als 900. Daran gemessen, ist Ditib der größte Islamverband Deutschlands.

Die Ditib hat maßgeblich das muslimisch-türkische Leben in Deutschland geprägt. Aber nicht, weil sich der Verband aufdrängte und jeden Konkurrenten weggebissen hat. Sondern weil man ihn ließ. Bund und Ländern war es damals ganz recht, dass da ein Verband die Organisation des türkischen Islam in Deutschland in Angriff nahm. Dass die Ditib enge Beziehungen zur Türkei pflegte, lag in der Natur der Sache.

Formal untersteht der Verband der Diyanet, die direkt dem türkischen Ministerpräsidentenamt unterstellt ist. Die Imame der Ditib werden von Diyanet entsandt, bezahlt und sind damit Beamte des türkischen Staats. Der Diyanet-Präsident ist zudem von Amts wegen zugleich Vorsitzender des Beirats des Ditib-Dachverbands. Und der Vorsitzende des Ditib-Dachverbands ist parallel der Botschaftsrat für religiöse Angelegenheiten der türkischen Botschaft in Berlin. Auch die Religionsattachés, die ebenfalls von der Diyanet entsandt werden, haben ein Anrecht auf Mitgliedschaft bei der Ditib.

"Zeit und nachhaltige Konzepte"

All diese Verflechtungen sind nicht neu. Im Großteil entspricht die heutige Satzung des Verbands jener von Ende der 80er Jahre. Auf Bundes- und Landesebene hätte man viel früher damit beginnen können, die Verbindungen der Ditib in die Türkei infrage zu stellen - wenn man gewollt hätte.

Die Forderung von NRW-Integrationsminister Rainer Schmeltzer (SPD) Ende Januar an die Ditib, sich nun aufgrund der Spitzel-Affäre "innerhalb von Wochen, nicht Monaten" von der Türkei finanziell wie strukturell abzunabeln, ist deshalb inkonsequent.

Im Grundsatz müssen Bund und Länder aber an der Forderung festhalten. Ein religiöser Verband, der in Deutschland agiert, muss die demokratische Ordnung respektieren. Er darf nicht von außen beeinflussbar sein, erst recht nicht durch einen anderen Staat. Doch das gelingt nicht innerhalb weniger Wochen - was Minister Schmeltzer wohl auch eingesehen hat: In einer "Aktuellen Stunde" gestern im Düsseldorfer Landtag sicherte er dem Verband Unterstützung bei der "Umsetzung der Verselbstständigung" zu. Dazu werde die Ditib "Zeit und nachhaltige Konzepte" benötigen.

Welche Konzepte dies seien könnten, darüber zerbricht sich die Landesregierung den Kopf, bisher allerdings ohne Ergebnis. Auf Bundesebene ist man nicht kreativer. Vielleicht lohnt ein Blick in unsere Nachbarländer. Konkret: nach Österreich. Dort gibt es ein Islamgesetz. Es zieht ausdrücklich das österreichische Recht den islamischen Glaubensvorschriften vor. Die theologische Lehre muss in deutscher Sprache erfolgen. Die Finanzierung religiöser Funktionäre aus dem Ausland ist verboten. Einzelnen Imamen der Atib - des österreichischen Pendants zur Ditib - wurden bereits die Visa entzogen. Sie müssen in die Türkei zurückkehren. Andere dürfen zunächst noch bleiben. Das Gesetz, das seit 2015 gilt, sieht eine Übergangsfrist vor, um alternative Konzepte zu entwickeln. Erfüllt ein Islamverband alle im Gesetz vorgeschriebenen Regeln, erhält er den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Ein Ziel, das eigentlich auch die Islamverbände in Deutschland verfolgen. Die NRW-Landesregierung hat diesbezüglich ein Gutachten über die Ditib in Auftrag gegeben, das aufgrund der Ermittlungen in der Spitzel-Affäre aber ruht.

Bund und Länder müssen Seite an Seite stehen

Doch ohne eine Abnabelung von der Türkei, wird es für die Ditib ohnehin sehr schwer sein, solch einen Status zu erreichen. Der Verband selbst beteuert stets, eigenständig zu handeln. Aber sollte man sich dann nicht fragen, warum die eigens eingesetzten Imame einem Spionage-Aufruf der türkischen Religionsbehörde folgten, der wohl nicht an die Ditib direkt gerichtet war? Die Diyanet darf für die Ditib stets ein Beistand sein, ein Berater in Religionsfragen - wie der Vatikan für die Kirchengemeinden. Mehr aber nicht. Politische Einflussnahme darf es nicht geben. Ein Islamgesetz nach dem Vorbild Österreichs wäre demnach erstrebenswert.

Das bedeutet allerdings auch: Bund und Länder müssten der Ditib zur Seite stehen. Es bedürfte einer Imam-Ausbildung in Deutschland nach türkischem Standard, freilich ohne Indoktrination. Ob diese von deutschen Universitäten - wie etwa bereits in Münster - oder von der Ditib selbst organisiert würde, müsste die Politik entscheiden. Sie müsste aber auch finanzielle Unterstützung bereitstellen, sollte der Geldhahn aus der Türkei eines Tages tatsächlich zugedreht werden.

(jaco)
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