Washington Das Ende der Eiszeit in der Karibik

Washington · Nach mehr als 50 Jahren nehmen Kuba und die USA wieder diplomatische Beziehungen auf. Am 20. Juli sollen in Havanna und Washington die Botschaften feierlich eröffnet werden. Es ist Barack Obamas großer Coup.

Barack Obama hatte sich bereits weggedreht vom Pult im Rosengarten des Weißen Hauses, als ihm ein Reporter die Frage nachrief, die derzeit alle in Washington interessiert: "Sir, wann reisen Sie nach Kuba?" Sobald es an der Gerüchtebörse um die Karibikinsel geht, ist von eventuellen Reiseplänen des Präsidenten die Rede. Fliegt er demnächst nach Havanna? Krönt er die Normalisierung mit einem Staatsbesuch? Durchaus denkbar, dass er es tut, bevor er im Januar 2017 aus dem Amt scheidet, deutete sein Sprecher Josh Earnest an, bevor er selber die Entsendung des ersten amerikanischen Botschafters nach über fünf Jahrzehnten Eiszeit verkündete.

Der Versuch, Kuba zu isolieren, habe nicht funktioniert, und wenn eine Politik ihren Zweck verfehle, müsse man sie ändern, erklärte Obama seinen Ansatz. Er sehe keinen Sinn darin, "Amerika von der Zukunft Kubas auszuschließen" und den Kubanern obendrein ihr Alltagsleben zu erschweren. Noch vor einem Jahr habe kaum jemand geglaubt, dass in naher Zukunft die amerikanische Flagge über Havanna wehen könnte. Nun aber werde sein Außenminister John Kerry in die Stadt reisen, um sie feierlich zu hissen. "So sieht Wandel aus."

Es ist der erste echte Meilenstein seit Dezember, als beide Länder die Wiederaufnahme der 1961 abgebrochenen diplomatischen Beziehungen ankündigten. Zwar hat es seitdem ein paar kleinere Schritte gegeben. Zwar strich das State Department Kuba im Mai von einer Liste, die staatliche Sponsoren des Terrors verzeichnet. Doch dies war ein überfälliger Schritt, das Ende eines nur noch anachronistischen Kapitels der Ministerialbürokratie. Zwar genügt es mittlerweile, wenn US-Touristen einen Trip nach Havanna als Bildungsreise deklarieren, um in Miami an Bord eines Charterjets gehen zu können. Offiziell aber sind die Schranken noch nicht gefallen.

Vor diesem Hintergrund markiert der Austausch von Botschaftern den ersten formalen Durchbruch seit dem Paukenschlag des Winters. Dass sich die Verhandlungen länger hinzogen, lag wohl am Streit um die Bewegungsfreiheit der US-Diplomaten. Während Kuba sie begrenzen wollte, pochte das Oval Office darauf, sie ohne Wenn und Aber zu garantieren, eingeschlossen Reisen übers Land oder Treffen mit Dissidenten, ohne die Regierung Rául Castros zuvor um Erlaubnis bitten zu müssen.

Im Praktischen ändert sich ansonsten gar nicht so viel. Bereits 1977 hatten die USA wieder Diplomaten nach Havanna geschickt. Nur agierten sie seither rechtlich unter der Flagge der Schweiz, in einer als Interessenvertretung deklarierten Mission. 50 US-Beamte sitzen heute an der Uferpromenade Malecón in demselben Gebäude, einem Betonklotz mit sieben Stockwerken, in dem bis 1961 die Botschaft angesiedelt war. Durchs Dach dringt bisweilen der tropische Regen; das Haus müsste dringend renoviert werden. In einem internen Bericht verglich es das State Department einmal mit einem "Schiff auf hoher See", auf dem die Besatzung notwendige Reparaturarbeiten ausschließlich mit dem vornehmen kann, was sie irgendwo an Bord findet. Schätzungsweise sieben Millionen Dollar müssten hineingesteckt werden, um es auf Vordermann zu bringen.

Da beginnt schon der Poker um die Details, der sich einmal mehr zu einer Machtprobe zwischen Kabinett und Kongress auszuwachsen scheint. Selbst die vergleichsweise bescheidene Summe muss von der Legislative bewilligt werden, und dort kündigt die republikanische Mehrheit Widerstand an.

An die Spitze der Bremser hat sich der Senator Marco Rubio gesetzt, Sohn kubanischer Emigranten und für manche der Geheimfavorit des republikanischen Kandidatenausscheids für die nächste Präsidentschaftswahl. Aus Rubios Sicht darf der Senat die Entsendung eines Botschafters nach Havanna nur dann absegnen, wenn sich die Menschenrechtslage auf der Insel deutlich verbessert.

(RP)
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