Analyse zum Fall Franz-Peter Tebartz-van Elst Das Geld der Kirchen

Düsseldorf · Die Verschwendungsvorwürfe gegen den Limburger Bischof setzen die Kirchen unter Druck. Zu viel Geld vom Staat, zu wenig Transparenz, zu wenig Kontrolle, lauten die Vorwürfe. Ein Überblick über die Finanzquellen.

Ob Gebhard Fürst, dem Bischof von Rottenburg-Stuttgart, der Doppelsinn seiner Aussage bewusst war? Die umstrittene Residenz seines Limburger Amtsbruders Franz-Peter Tebartz-van Elst, sagte Fürst im Deutschlandradio, habe die katholische Kirche insgesamt "irgendwie in Misskredit" gebracht.

Er hätte kaum ein passenderes Bild finden können — in der Diskussion über das Geld stehen die Kirchen unter Druck. Sie bekämen zu viel Geld vom Staat und gewährten dafür zu wenig Transparenz, lauten gängige Vorwürfe. Aber wie finanzieren sich die Kirchen überhaupt? Ein Überblick.

Kirchensteuer

Der "Mitgliedsbeitrag" ist die wichtigste Finanzquelle der großen Kirchen in Deutschland. 2012 nahm die katholische Kirche knapp 5,2 Milliarden, die evangelische etwa 4,6 Milliarden Euro ein. Im Bistum Essen zum Beispiel machte die Steuer rund 72 Prozent der Erträge aus.

Sie beträgt neun Prozent der Lohn- und Einkommensteuer, in Bayern und Baden-Württemberg acht. Voraussetzung für die Erhebung ist die Anerkennung als öffentlich-rechtliche Körperschaft — Kirchen sind keine staatlichen Organisationen, aber viel mehr als private Vereine.

Steuern erheben neben den katholischen Bistümern und den evangelischen Landeskirchen die altkatholische Kirche, zwei kleine protestantische Gemeinschaften und die jüdischen Gemeinden. Der Islam hat bislang keinen solchen Status.

Den Einzug der Kirchensteuer erledigt der Staat für die Kirchen. Dafür erhält er zwischen zwei und vier Prozent des Steueraufkommens. Trotzdem ist diese Lösung für die Kirchen günstiger, als die Steuern selbst einzutreiben.

Staatliche Zuschüsse

Die Kirchen verkündigen nicht nur das Evangelium, sondern sind auch sozial sehr aktiv. Etwa ein Drittel der Krankenhäuser in Deutschland ist in konfessioneller Trägerschaft. 285 von knapp 6000 Schulen in NRW betrieben im vergangenen Schuljahr Kirchen oder kirchlichen Einrichtungen.

Andere Beispiele sind Kindergärten, Altenheime, Entwicklungshilfeorganisationen und der kirchliche Denkmalschutz. Sie alle bekommen Zuschüsse, weil sie dem Staat Arbeit abnehmen — gemäß dem Rechtsprinzip der Subsidiarität soll der Staat nur Aufgaben übernehmen, die die Gesellschaft nicht erbringen kann.

Das soll auch die Vielfalt des Angebots garantieren. Die kirchlichen Wohlfahrtsverbände sind nicht bessergestellt als etwa die Awo. Ihnen werden die Leistungen von den Sozialversicherungen ersetzt. Bei kirchlichen Schulen beispielsweise ersetzt das Land Nordrhein-Westfalen 94 Prozent der laufenden Personal- und Sachkosten. Bei kirchlichen Kitas sind es 88 Prozent.

Staatsleistungen

Geld vom Staat erhalten die Kirchen bis heute auch als Ausgleich für die Enteignung kirchlichen Guts im Reichsdeputationshauptschluss 1803, die Säkularisation. Damals verfügte das Heilige Römische Reich die Entschädigung weltlicher Fürsten, die linksrheinische Territorien an Napoleon verloren hatten, aus geistlichem Besitz.

Im Gegenzug verpflichteten sich die Fürsten zu sogenannten Dotationen an die Kirche; sie fanden im Folgenden Eingang ins Staatskirchenrecht. Deshalb zahlen bis heute die meisten Bundesländer indirekt auch für die katholischen Bischofsgehälter, auch wenn die Bischöfe nicht auf der Gehaltsliste des Landes stehen: NRW etwa überweist eine Pauschale.

Die Evangelische Kirche im Rheinland deckt mit den Staatsleistungen (zwei Prozent der jährlichen Einnahmen) sieben Prozent ihrer Pfarrergehälter.

In der Weimarer Verfassung von 1919 heißt es: "Die Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst." Dieser Artikel gilt bis heute, weil das Grundgesetz ihn übernommen hat.

Der Auftrag an den Staat aber ist seither unerfüllt — und in Zeiten leerer öffentlicher Kassen dürfte die Energie, Milliarden zur Ablösung aufzubringen, auch in nächster Zeit fehlen. Die jährlichen Staatsleistungen werden auf etwa 480 Millionen Euro geschätzt; in NRW dürften es gut 20 Millionen sein.

Bischöfliche Vermögen

Über die Vermögen der katholischen Bistümer ist in den vergangenen Tagen schlagartig eine Menge bekannt geworden. Angesichts der Ereignisse in Limburg hat sich eine Reihe von Bischöfen entschlossen, Umfang und Zusammensetzung offenzulegen.

Die Bischöflichen Stühle sind dem Bischof für seine Amtsführung zugeordnete Vermögen, bestehend oft aus Immobilien, Stiftungen und Erbschaften. Der Umfang unterscheidet sich erheblich: Das altehrwürdige Köln liegt mit 166 Millionen Euro vorn, das erst 1930 gegründete Erzbistum Berlin hat nach eigenen Angaben gar kein eigenes Vermögen. Die Angaben sind allerdings kaum vergleichbar, weil sich Buchführung und Bilanzierung unterscheiden.

In Köln umfasst der Stuhl aber nicht die Kirchengebäude, sondern nur sonstige Immobilien und Beteiligungen. Das Vermögen warf 2012 an Erträgen rund 9,6 Millionen Euro ab (gegenüber 474 Millionen Euro an Kirchensteuern), die in den Bistumshaushalt flossen.

Die Kontrolle über die Bischöflichen Stühle hat mit dem Bischof meist ein Verwaltungsrat; in Köln ist es der Kirchensteuerrat, der aus Laien besteht. Durch ihr Selbstbestimmungsrecht sind die Kirchen dem Staat keine Rechenschaft über die Bischöflichen Stühle schuldig. Die evangelische Kirche hat nach eigenen Angaben solche Nebenhaushalte nicht.

Zu diesen Komplexen kommen noch Spenden und Kollekten in schwankender Höhe — die katholische Kirche bezifferte sie 2009 auf 250 Millionen Euro.

Trotzdem haben viele Bistümer und Landeskirchen Probleme, ihre Haushalte auszugleichen. Die Frage, wie reich denn nun "die Kirchen" sind, lässt sich pauschal nicht beantworten: Jeder Caritasverband, jeder Orden hat seinen eigenen Etat.

Kirchenkritiker haben den "Gesamtumsatz" beider großer Kirchen auf 125 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt — mehr als bei Daimler.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort