Klimaschutzgesetz Das Gesetz der heißen Luft

Düsseldorf · Vier Jahre stritt NRW über das rot-grüne Klimaschutzgesetz. Jetzt ist klar: Es ist absolut harmlos. Vorerst.

Das Klimaschutz-Gesetz der rot-grünen Landesregierung in NRW hat gute Chancen, als Paradebeispiel für symbolische Politik in die Schulbücher einzugehen. Das wurde gestern deutlich, als NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) die in dieser Woche vom Kabinett beschlossenen Eckpunkte für den Klimaschutzplan vorstellte. Denn die bedeuten im Kern: Wer beim Klimaschutz mitmachen will, ist willkommen. Aber wer es lässt, wird auch nicht behelligt. Remmel selbst nannte den Kabinettsbeschluss "eine Einladung".

Angesichts der hitzigen Reden, die seit vier Jahren landesweit für und gegen das Gesetz geschwungen werden, ist das eine ziemliche Überraschung. Kaum ein rot-grünes Projekt war heftiger umstritten als dieses: 2013 beschloss die Landesregierung, dass die Treibhausemissionen ausgerechnet im Industrieland NRW bis 2020 um 25 Prozent und bis 2050 um 80 Prozent sinken sollen. Aber die Gegner des landespolitischen Alleingangs (sowohl die Bundesregierung als auch die EU haben andere Klimaschutz-Ziele) liefen bislang ins Leere. Was genau das selbstgestrickte Öko-Ziel für NRW und seine Wirtschaft bedeutet, sollte ein ergänzender Klimaschutzplan ausweisen - und dessen Eckpunkte liegen erst jetzt vor. Demnach soll das Gesetz weder die Wirtschaft noch den Landeshaushalt mit zusätzlichen Kosten belasten. Und rechtsverbindliche Vorgaben dazu will Rot-Grün bis zum Ende der laufenden Wahlperiode im Jahr 2017 schon gar nicht machen.

Die Erwartungen der Fans und Gegner des Projektes waren wohl andere: Die NRW-Grünen sprachen stets von "einem unserer zentralen Ziele"; die Bundes-Grünen fanden die Arbeit ihrer Düsseldorfer Kollegen sogar "historisch". Auf der anderen Seite sah der Verband der Chemischen Industrie (VDI) in NRW durch das Gesetz "die Entwicklungsperspektiven von Chemiestandorten gefährdet". Der Unternehmerverband beklagte eine "erhebliche Rechts- und Planungsunsicherheit", die das Gesetz auslöse. Und allen voran klagte der Dachverband der Industrie- und Handelskammern (IHK) in NRW: "Der geringe Nutzen für den Klimaschutz steht in keinem Verhältnis zu den zu erwartenden Belastungen für die Wirtschaft in NRW."

Bezeichnenderweise waren gestern weder der VCI noch die IHK in NRW für eine Stellungnahme erreichbar. Nur der Unternehmerverband "riskierte" gestern noch eine Frage. Nämlich die, "ob der Klimaschutzplan einen empfehlenden oder einen verbindlichen Charakter hat. Der Formulierung des Ministers entnehmen wir, dass der Plan empfehlenden Charakter hat und damit zum Beispiel keine direkten Eingriffe in die regionale Planungshoheit verbunden sind."

Das ist wohl so. Und auf eben dieser unverbindlichen Grundlage listet das 271 Seiten starke Papier insgesamt 224 Maßnahmen auf. Dazu gehören etwa Projekte zum Ausbau der erneuerbaren Energien, zur Modernisierung von konventionellen Kraftwerken, zur energetischen Sanierung von Gebäuden oder zur Reduktion des Stickstoffdüngereinsatzes in der Landwirtschaft. Zur Abfederung der Folgen des Klimawandels sollen unter anderem Ballungsgebiete besser auf starke Niederschläge oder Stürme vorbereitet werden. Der Plan enthält auch zahlreiche Förderprogramme - oft mit Hinweis auf dafür notwendige Bundesmittel - Initiativen für Modellversuche, Netzwerke, Beratungsstellen und Studien. Zum Beispiel soll sich die Zahl der Solardächer in NRW bis 2025 verdoppeln. Hinter dem Ausrufungszeichen steht in kleinerer Schrift: "Voraussetzung dafür: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und das Energiemarktdesign müssen dauerhaft so gestaltet sein, dass verlässliche Investitionsanreize für den Ausbau der erneuerbaren Energien geboten werden (...)". Darauf hat die Landesregierung allerdings so gut wie keinen Einfluss.

Insgesamt stehen für die Initiativen bis 2017 Förderprogramme zum Klimaschutz in Höhe von einer Milliarden Euro bereit - und das ressortübergreifend. Auch das ist nicht neu: Das Geld ist längst in den Haushaltsplänen verankert. War all die Aufregung berechtigt? Wurde das NRW-Klimaschutzgesetz am Ende überschätzt? Remmel: "Ich habe die Aufregung auch nie verstanden." Er habe das Klimaschutzgesetz "von Anfang an immer als ein Gesetz der Einladung bezeichnet". Das stimmt. Aber Remmels Zusage für den Verzicht auf Zwangsmaßnahmen gilt eben nur bis 2017. Was die nächste Landesregierung daraus macht, ist völlig offen.

(RP)
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