Düsseldorf Das große Unbehagen der Muslime

Düsseldorf · Vertreter dreier Religionen diskutierten in Düsseldorf über Terror im Namen Gottes. Es wurde emotional.

Darf man den Koran interpretieren? Geht das überhaupt? Wer sich eine, vorsichtig gesagt, engagierte Antwort wünscht, der sollte das Aiman Mazyek fragen. Natürlich geht das, sagt der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime dann - alles andere widerspreche der Lebenswirklichkeit von 1,5 Milliarden Muslimen. Erst die Koran-Auslegung habe zur großen Blüte des Islam im Mittelalter geführt. Im Übrigen seien die Muslime seit dem 11. September leider nie aus der Defensive gekommen, stets müssten sie sich für ihren angeblich aggressiven Glauben rechtfertigen: "Das finde ich im Land der Dichter und Denker doch etwas dürftig."

Mazyek war einer der Gäste, die gestern Abend im Düsseldorfer Maxhaus auf Einladung der Rheinischen Post über "Glaube und Gewalt" diskutierten. Unter diesem Titel hatte unsere Zeitung eine große Serie aufgelegt - nach den Terrorangriffen auf die Satire-Zeitung "Charlie Hebdo" und einen jüdischen Supermarkt in Paris. Mit Mazyek diskutierten Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck und Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland; RP-Redakteur Lothar Schröder moderierte. Wie emotional die Debatte über religiös begründete Gewalt war und ist, ließ sich im Maxhaus miterleben.

Overbeck nämlich widersprach Mazyek deutlich: "Die Debatte um Gewalt im Islam müssen Sie schon selbst führen." Er vermisse jedenfalls die Auseinandersetzung innerhalb des Islam, ob Blutvergießen mit dem Koran gerechtfertigt werden könne. Die Debatte finde doch statt, erwiderte Mazyek - das Morden des "Islamischen Staats" sei von Muslimen in aller Welt verurteilt worden. Außerdem ermuntere der Koran geradezu, kritisch zu denken; in Europa dagegen hätten Kirche und Religion über Jahrhunderte hinweg geistigen Stillstand zu verantworten gehabt. Das wiederum veranlasste Overbeck zu der Replik, es sei doch etwas einfach zu behaupten, "das Christentum habe das Problem, nicht der Islam". Da war es an Lehrer, seine Mitdiskutanten zu ermahnen, kein "religionsphilosophisches Gespräch" zu führen, sondern zu fragen, wie man Gewalt im Alltag verhindern könne. Lehrer sah eine Gemeinsamkeit: "Judentum, Christentum und Islam zeichnet eine große Entwicklung aus - sie räumen ein, dass es in ihren heiligen Schriften Stellen gibt, die es Menschen erlauben, extremistische Positionen zu beziehen." Diese Bereitschaft, die Heilige Schrift zu hinterfragen, sei auch im Islam zu beobachten - "aber die Signale sind noch nicht intensiv genug".

Er maße sich keine Antwort an, sagte Lehrer, warum junge Leute in den "Heiligen Krieg" zögen. Dafür brauche es mehr Dialog, mehr Debatte, mehr Information - womit auf dem Podium plötzlich wieder große Einigkeit hergestellt war.

(RP)
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