Analyse Das Himmelfahrtskommando des Matteo Renzi

Rom · Italiens neuer Premier macht viele Versprechungen. Ob er sie einhalten kann, ist allerdings zu bezweifeln. Experten berechneten, dass für alle Ankündigungen des Politikers Kosten von etwa 120 Milliarden Euro anfallen würden. Eine zusätzliche Neuverschuldung schloss er aber aus.

Der neue italienische Ministerpräsident ist ein exzellenter Redner. Davon konnten sich auch die Senatoren und Abgeordneten im italienischen Parlament überzeugen. Der erst 39-jährige Matteo Renzi trat bei den Vertrauensabstimmungen in Senat und Abgeordnetenhaus voller Selbstbewusstsein auf, zudem sprach er ohne Manuskript. Und Renzi wählte keinen institutionellen Ton, der Parteichef der italienischen Sozialdemokraten sprach zum Volk.

Das, so sind sich in Italien die meisten einig, kann er ebenso gut wie der umstrittene Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Renzi deutete zum Beispiel an, die Politik hätte in den vergangenen Jahren "besser den Menschen auf den Lebensmittelmärkten als den Finanzmärkten" zugehört. Solche Parolen kommen an, sie setzen sich fest. Am Montag hatte der Senat Renzi und seiner Regierung das Vertrauen ausgesprochen. Gestern Abend stimmte auch das Abgeordnetenhaus für ihn. Doch seither begleitet vor allem eine Frage den Premier: Wie kann er alle Versprechungen einhalten, die er zuletzt gemacht hat?

Italien wartet auf Fakten, mehr denn je. Renzi, der bislang Bürgermeister von Florenz war und im Dezember zum Vorsitzenden der größten Mitte-links-Partei Italiens gewählt wurde, des Partito Democratico (PD), inszeniert sich als Mann der Tat. Mit der Begründung, sein Vorgänger Enrico Letta habe in zehn Monaten an der Macht keine nennenswerten Ergebnisse erzielt, verdrängte Renzi seinen Parteifreund aus dem Amt und versprach nun im Parlament einen "radikalen Wandel". Anhaltspunkte für seine Pläne gab der Ministerpräsident zahlreiche. Im Monatsrhythmus will Renzi den italienischen Staat umbauen. Dazu kündigte er strukturelle Reformen auf den Gebieten Arbeitsmarkt, Steuer, öffentliche Verwaltung und Justiz an. Zudem will er einen mit Silvio Berlusconi als Chef der größten Oppositionspartei geschlossenen Pakt zum Umbau der Verfassung verabschieden, anschließend sollen die politischen Institutionen besser funktionieren.

Der neue Ministerpräsident erläuterte aber nicht, wie er die teilweise sehr kostspieligen Änderungen finanzieren will. Zum Beispiel kündigte Renzi an, alle Schulden, die die öffentliche Verwaltung bei den italienischen Unternehmen hat, sofort zu begleichen. Er will Fonds für kleine und mittlere Unternehmen einrichten und die Abgaben zur Besteuerung der Arbeit kürzen. Zudem versprach er, Italiens Schulgebäude renovieren zu lassen.

Experten berechneten, dass für alle Ankündigungen des Premiers zusammen Kosten in Höhe von etwa 120 Milliarden Euro anfallen würden. Eine zusätzliche Neuverschuldung schloss Renzi aber aus: "Wir müssen unsere Schulden nicht wegen Frau Merkel reduzieren, sondern aus Verantwortung gegenüber unseren Kindern."

Klar ist nur, dass Italien mit 2,1 Billionen Euro (knapp 133 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) verschuldet ist und auch angesichts der schwachen Konjunktur kaum Spielraum hat. Trotzdem muss Renzi nun das Himmelfahrtskommando gelingen, an dem seine Vorgänger gescheitert sind: der Umbau des Staates.

Auch politische Stolperfallen sind schon aufgestellt: In seiner Koalition muss der Premier insgesamt neun Parteien koordinieren. Der größte und wichtigste Partner seiner Demokratischen Partei ist die "Neue rechte Mitte" um Innenminister Angelino Alfano, die sich vor Monaten von Berlusconis "Forza Italia" abgespalten hat, aber Renzi die Mehrheit im Senat garantiert. Um sich von Berlusconi abzuheben und bei den nächsten Wahlen zu überleben, musste Alfano einige klare Bedingungen stellen: den Verzicht auf Steuererhöhungen zum Beispiel. Woher also soll das Geld kommen? Schließlich rumort es auch in den Reihen von Renzis eigener Partei, weil er seinen Vorgänger Letta derart rüde behandelt hat.

(RP)
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