Das will der neue Justizminister

NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) über seine Pläne, kriminelle Kinder zur Not in geschlossenen Heimen unterzubringen, den Umgang mit jugendlichen Straftätern, ein liberaleres Drogengesetz und mögliche Stichproben-Kontrollen von JVA-Mitarbeitern

Herr Minister Kutschaty, sollen strafunmündige, kriminelle Kinder notfalls in geschlossenen Heimen untergebracht werden?

Kutschaty So etwas wird es geben müssen. Das kann sinnvoll sein. Grundsätzlich entscheiden die Eltern als Erziehungsberechtigte über Wohl und Wehe ihres Kindes. Wenn wir es aber mit gewalttätigen Zwölf- oder Dreizehnjährigen zu tun haben, bei denen die Eltern als Erzieher am Ende sind, dann muss der Staat eingreifen und das elterliche Sorgerecht entziehen beziehungsweise einschränken. Ich muss doch einem kriminellen Kind mit einem pädagogisch geführten geschlossenen Heim die Chance zum Kurswechsel geben.

Die kürzlich verstorbene, bundesweit bekannte Jugendrichterin Kirsten Heisig klagte offen Berliner Zuwanderer-Clans an, die ihre Kinder zur Kriminalität verleiten. Trauen Sie sich, so etwas auch zu sagen?

Kutschaty Jugendkriminalität hängt nicht von der Herkunfts-Nationalität ab. Allgemein lässt sich sagen: Junge Kriminelle sind ganz überwiegend männlich, haben eine schlechte Schulbildung und stammen aus sozial benachteiligten Stadtteilen. Ein 14-jähriger türkischer Realschüler, bei dem es im Elternhaus stimmt, ist genauso wenig anfällig für Straftaten wie sein 14-jähriger deutscher Klassenkamerad.

Was planen Sie konkret im Jugendstrafvollzug?

Kutschaty Wir haben im Jugendstrafvollzug viel zu hohe Rückfallquoten. Wir müssen den Vollzug so gestalten, dass die Menschen nach der Haft fit sind, in Freiheit ein straffreies Leben führen zu können. Wir müssen dazu kommen, die zahlreichen Fördermöglichkeiten der Arbeitsagenturen und der Arbeitsgemeinschaften nicht erst nach der Entlassung, sondern bereits im Vollzug zu nutzen. Warum kann man mit berufsvorbereitenden Schritten nicht schon während der Haft beginnen? Hier kümmern wir uns. Wir arbeiten an einer Verbesserung der Zusammenarbeit.

Vom Warnschuss-Arrest gegen jugendliche Rechtsbrecher mit Bewährungsstrafen halten Sie nichts?

Kutschaty Den Warnschuss-Arrest halte ich für nicht sinnvoll. Damit trifft man in der Regel nie den Ersttäter. Denn wer eine Bewährungsstrafe bekommt, gegen den wurden zuvor meist schon Arrestauflagen verhängt. Einem solchen Täter durch Warnschuss-Arrest klar machen zu wollen, dass er etwas Unrechtes getan hat, halte ich für albern. Außerdem führt der Arrest zu einer sinnlosen Überlastung der Justiz.

Sind Sie ein Kuschelpädagoge?

Kutschaty Nein, das bin ich nicht. Ich bin aber auch kein Verfechter von Null-Toleranz bei Rechtsbruch um jeden Preis. In ganz harten Fällen gibt es jedoch als letzte Konsequenz keinen anderen Weg als den in den Strafvollzug.

Will die neue rot-grüne Koalition bei der Drogenbekämpfung mehr Liberalität wagen als ihre Vorgänger?

Kutschaty Wir wollen die Grenze, bis zu der man straflos zum Beispiel Cannabis konsumieren kann, auf den Stand von 2007 anheben. Die Herabsetzung, die meine CDU-Vorgängerin durchgesetzt hatte, hat aus unserer Sicht viele Menschen unnötigerweise kriminalisiert. Das will ich nicht. Die Strafverfolgungsbehörden haben sich um die wirklich schweren Fälle und die organisierte Kriminalität zu kümmern.

Steht diese Entscheidung nicht im Widerspruch zu Ihrem Plan, junge Menschen möglichst früh zu beeinflussen, das Richtige zu tun?

Kutschaty Es ist wichtiger, etwa in den Schulen im Sinne von Aufklärungs-Kampagnen "Lasst die Finger von dem Mistzeug" auf Kinder und Jugendliche einzuwirken, als dies mit den Mitteln der Strafjustiz zu probieren.

Was haben Sie beim Strafvollzug vor?

Kutschaty Wir wollen einen dem Landtag berichtenden Ombudsmann als Ansprechpartner der Gefangenen und der Bediensteten der Strafanstalten.

Brauchen die Bediensteten in den Haftanstalten nicht auch mehr Geld?

Kutschaty Ich werde mir demnächst mehrere Gefängnisse anschauen. Wegen des extrem hohen Krankenstandes dort – gut zehn Prozent oder rund 700 Bedienstete, die unter extremen Belastungsituationen arbeiten, fehlen im Durchschnitt krankheitsbedingt – fallen viele Überstunden an. Wenn wir nur jeden Zweiten dieser Kranken wieder gesund kriegten, wären die Personalprobleme in den Justizvollzugsanstalten gelöst.

Ist die Kontrolle von JVA-Bediensteten stringent genug?

Kutschaty Die Bediensteten sind stinksauer über einzelne schwarze Schafe in ihren Reihen, die Gefangene bei ihren Ausbruchsversuchen unterstützen. Ob ich Stichproben-Kontrollen der Bediensteten einführe, werde ich nach Gesprächen mit Mitarbeitern der Gefängnisse entscheiden.

Reinhold Michels und Gerhard Voogt führten das Interview.

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