Analyse Das ZDF gibt ein schlechtes Bild ab

Mainz · Nach der Betrugsaffäre um die Sendung "Deutschlands Beste!" ist Show-Chef Oliver Fuchs zurückgetreten. Doch das kann nur der Anfang eines langen Weges für den Sender sein, die Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.

Ließe sich die derzeitige Aufmerksamkeit für das ZDF als Quote darstellen, wäre man wahrscheinlich froh am Lerchenberg. So aber gibt sich Intendant Thomas Bellut gerade sehr zerknirscht. Droht sich die Betrugsaffäre um manipulierte Besten-Listen doch zu einem ähnlichen Image-Debakel auszuweiten wie das gefälschte Auto-Ranking für den ADAC. Auch dort hatte man ein Leser-Voting nach eigenem Gutdünken verändert. Allerdings ist der ADAC nur ein Automobilclub und kein öffentlich-rechtlich finanzierter Sender, der für Qualitätsjournalismus steht. Das Zweite ist eine der größten Sendeanstalten Europas, die zusätzlich einige Digitalkanäle betreibt und an den Nachrichten- beziehungsweise Kultursendern 3Sat, Arte und Phoenix beteiligt ist. Das Fundament dieses Apparates heißt Glaubwürdigkeit, dafür bezahlt jeder Zuschauer monatlich mit seinem Rundfunkbeitrag - und genau diese Glaubwürdigkeit befindet sich gerade, rankingtechnisch gesehen, im freien Fall.

Selbst das Krisen-Management des Senders lässt sich mit dem des ADAC vergleichen: Erst wurde öffentlich beschwichtigt, dann Fehler eingestanden, schließlich der Betrug zugegeben. Nun werden Konsequenzen gezogen. Der Leiter der Hauptredaktion Show, Oliver Fuchs, ist gestern von seinem Posten zurückgetreten. Außerdem sei die für die beiden Sendungen zuständige Teamleiterin ihrer Führungsfunktion enthoben und abgemahnt worden, teilte der Sender mit. Eine weitere Redakteurin erhielt ebenfalls eine Abmahnung. Fuchs soll laut internen Untersuchungen des ZDF keinerlei Kenntnis von den Veränderungen der Ranglisten gehabt haben. Der 46-Jährige war erst vor zwei Jahren zum ZDF gekommen, belieferte vorher mit seiner Produktionsfirma Eyeworks vor allem RTL und ZDFneo. Er sollte frischen Wind in das leicht angestaubte Unterhaltungsprogramm bringen.

Die Redaktion der Shows "Deutschlands beste Frauen" und "Deutschlands beste Männer" hat das offenbar eigenwillig interpretiert. Sie hat eine repräsentative Forsa-Umfrage eigenmächtig verändert, wohl um den zur Show eingeladenen Gästen eine bessere Position zu verschaffen. So kletterte etwa Franz Beckenbauer von Platz 31 auf Platz neun, ZDF-Moderator Claus Kleber von Platz 39 auf Platz 28 oder Helene Fischer von Platz zehn auf Platz fünf. Im Gegenzug rutschte RTL-Nachrichtenmann Peter Kloeppel von Platz 27 auf Platz 39 und "Tagesschau"-Sprecher Jan Hofer von Platz 36 auf Platz 42. Zwei weitere Abstimmungen von Internetnutzern und Lesern der Programmzeitschrift "Hörzu" wurden entgegen der vorherigen Ankündigung nicht berücksichtigt. Das ZDF teilte mit, nach Rücksprache mit dem Umfrageinstitut Forsa habe sich herausgestellt, dass es nicht möglich gewesen sei, die unterschiedlichen Ranglisten zu einem repräsentativen Ergebnis zusammenzuführen. Daraufhin habe die Teamleiterin beschlossen, die Ergebnisse der Online- und der "Hörzu"-Umfrage nicht zu berücksichtigen, ohne ihre Vorgesetzten darüber zu informieren.

Show-Chef Fuchs soll laut ZDF von alledem nichts gewusst haben, was nebenbei auch kein gutes Licht auf die interne Arbeitsorganisation wirft. "Ich danke Herrn Fuchs für sein Engagement und seine Arbeit", erklärte ZDF-Intendant Thomas Bellut. "Ich respektiere sein Angebot, persönlich die Verantwortung zu übernehmen." Fuchs kannte sich zumindest aus mit den bei Zuschauern beliebten Ranking-Shows - als Produzent oder Mitarbeiter im Stab war er bei der Reihe "Die 10..."/"Die 25..." von RTL tätig. Die Listen kommen unterschiedlich - oder undurchsichtig - zustande, teils wird nach internen Kriterien gewichtet, teils werden Zuschauer mit eingebunden. Klar ist jetzt: Kaum einer wird diesen Listen noch Glauben schenken. Zumal das ZDF auch noch bekannte, dass bereits im Jahr 2007 bei der Sendung "Unsere Besten - Musikstars aller Zeiten" das Ergebnis manipuliert worden war. Damals durfte das Publikum auch eigene Vorschläge einbringen, es gewann die umstrittene Rockband Böhse Onkelz. Die Redaktion wertete das Material erneut aus - und kürte Mozart, Grönemeyer und Udo Jürgens zum Sieger. Geschehen sei dies, um sogenannte Blockvotings von Fangruppen herauszufiltern, erklärte das ZDF. Eine durchaus verständliche und nicht einmal verwerfliche Vorgehensweise - die man aber öffentlich hätte kommunizieren müssen.

Mit der auch beim ZDF vielbeschworenen Transparenz hapert es offenbar. Dabei muss der Sender als öffentlich-rechtliches Leitmedium seriös und nachvollziehbar arbeiten. Jeder weiß, wie schwer es ist, einen ruinierten Ruf wiederherzustellen. Daran laboriert auch der ADAC; selbst wenn ein Betrug verblasst, bleibt immer etwas haften. Beim ZDF gilt es daher zu verhindern, dass die Schlappen - für "Wetten, dass..?" geht es dieses Jahr auch zu Ende - und Schlampereien in der Show-Abteilung auf den Informationsbereich übergreifen. Mit "Frontal 21" oder "ZDFzoom" bietet der Sender zum Beispiel investigative Formate, für die es verheerend wäre, würde ihre Glaubwürdigkeit in Frage gestellt.

Deshalb baut der Sender vor. Ruprecht Polenz, Chef des Kontrollgremiums Fernsehrat, bittet um Empfehlungen, "wie solche für die Glaubwürdigkeit des ZDF sehr abträglichen Vorkommnisse künftig verlässlich ausgeschlossen werden können". Zum Beispiel, indem die Forschungsgruppe Wahlen bei solchen Umfragen mitwirkt. Darüber berät der Programmausschuss am 25. Juli. Die Reihe "Unsere Besten" wird vorsichtshalber komplett eingestellt. Der Zuschauer muss auf die Selbstheilungskräfte des Senders vertrauen. Selbst wenn er das Zweite nicht mehr einschaltet, muss er seinen Obolus entrichten. Aus dem ADAC kann man austreten, aus dem ZDF nicht.

(RP)
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