London/Paris Cameron will neuen EU-Vertrag

London/Paris · London möchte die Zusammenarbeit lockern. Berlin und Paris kontern mit einem Gegenplan. Streit ist absehbar.

David Cameron: Soll das Vereinigte Königreich EU-Mitglied bleiben?
Foto: ap

Mit Blick auf die geplante Volksabstimmung zur EU-Mitgliedschaft Großbritanniens macht die Regierung von David Cameron Druck. Bis spätestens Ende 2017 will sie den Briten folgende Frage vorlegen: "Soll das Vereinigte Königreich Mitglied in der Europäischen Union bleiben?" Angeblich verspricht sich Cameron davon einen psychologischen Vorteil, weil er sich als Befürworter des Ja an die Spitze einer positiven Kampagne setzen könne.

Allerdings will Cameron zuvor die Beziehungen Großbritanniens zur EU neu aushandeln. Grundsätzlich geht es ihm darum, Befugnisse von der europäischen auf die nationale Ebene zurückzuverlagern. Präzise Forderungen hat der Konservative aber noch nicht formuliert. Gestern startete er dennoch eine Tour durch wichtige EU-Hauptstädte, um die Partner von der Notwendigkeit zu überzeugen, die EU-Verträge zu ändern. Da dem aber alle 28 EU-Staaten zustimmen müssten, sind die Chancen Camerons nicht sehr groß.

Die Konfrontation scheint programmiert. Sollten die EU-Partner nicht mit London zusammenarbeiten, um die gewünschten Veränderungen zu erhalten, "schließen wir nichts aus", drohte Außenminister Philip Hammond bereits. Postwendend schossen die Franzosen zurück: Man werde keine Rücknahme der gemeinsamen EU-Politik akzeptieren, sagte Außenminister Laurent Fabius. Frankreichs Staatspräsident François Hollande zeigte sich besorgt: Sein Land hoffe auf einen Verbleib der Briten. Aber letztlich zähle die Entscheidung der Menschen. Hollande hat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel heimlich ein Strategiepapier ausarbeiten lassen, in dem das engere Zusammenrücken der Euro-Länder skizziert wird, und zwar ohne Änderungen der EU-Verträge.

Das Papier tauchte gerade jetzt in der französischen Presse auf, was auf der Insel längst nicht nur hartgesottene Euro-Skeptiker als politischen Affront empfanden. Zumal die Vorschläge weitgehend sind. Unterm Strich setzen sich die Franzosen mit einer Idee durch, mit der sie seit Ende der 90er Jahre in Berlin immer auf Granit gebissen hatten: einer europäischen Wirtschaftsregierung. In einem ersten Schritt sollen die Kompetenzen der Euro-Gruppe erheblich ausgeweitet werden, am Ende könnte sogar der Posten eines europäischen Finanzministers entstehen, womöglich mit Eingriffsrechten in nationale Haushalte. Gleichzeitig soll die heute teils krass unterschiedliche Unternehmensbesteuerung der einzelnen Euro-Länder harmonisiert werden, Bestimmungen über Mindestlöhne und Arbeitsmarktreformen sollen ebenfalls eng abgestimmt werden. Schließlich erklären sich Paris und Berlin bereit, den Investitionsplan der EU-Kommission ("Juncker-Plan") kräftig aufzustocken.

Weniger sparen, mehr investieren - seit seinem Amtsantritt vor bald drei Jahren hatte Hollande die Kanzlerin zu diesem Kurswechsel gedrängt. Jetzt ist die Freude entsprechend groß. "Es hat eine ganze Weile gedauert, bis die Deutschen reif dafür waren", zitiert das Pariser Nachrichtenmagazin "Nouvel Observateur" einen Unterhändler.

(RP)
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