Berlin De Maizière hält massiven Stromausfall für wahrscheinlich

Berlin · Bundesinnenminister Thomas de Maizière sieht einen groß angelegten Angriff auf die Stromversorgung in Deutschland als reale Bedrohung. Von allen Gefahren durch Hackerangriffe halte er es für am "wahrscheinlichsten", dass es auch in Deutschland zu einem "regional oder überregional lang anhaltenden dauerhaften Ausfall der Stromversorgung" komme. Darauf müssten die Behörden sich "angemessen und mit kühlem Kopf" vorbereiten. Er könne sich vorstellen, dass einzelne Gruppen oder Staaten einmal ausprobieren wollten, wie die deutsche Gesellschaft auf Strom angewiesen sei.

Von "vielfältigen Angriffspunkten" leitete de Maizière eine Verwundbarkeit der kritischen Infrastruktur in Deutschland ab. Er erinnerte an den Zusammenbruch der ukrainischen Stromversorgung nach Cyberangriffen. Der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Christoph Unger, verwies auf die Hacker-Angriffe, durch die im Februar in NRW Krankenhäuser teilweise ihre Arbeit hätten einstellen müssen. Unger sagte, es sei eine steigende Anzahl von Störungen im Stromnetz feststellbar.

Der Bundesinnenminister verteidigte sein neues Konzept zur zivilen Verteidigung gegen Angriffe der Opposition und aus den Reihen des Koalitionspartners. Es sei "falsch", dass die Regierung damit zu Hamsterkäufen aufrufe, sagte er. Und auch eine Wiedereinführung der Wehrpflicht stehe "überhaupt nicht zur Debatte".

Für Aufsehen gesorgt hatte in den vergangenen Tagen die Aufforderung an die Bevölkerung, Lebensmittel- und Wasservorräte anzulegen. Die Opposition hatte der Regierung deswegen Panikmache vorgeworfen. De Maizière wies dies zurück. Entsprechende Hinweise an die Bevölkerung seien nicht neu.

Die SPD schließt sich dem Konzept zwar inhaltlich an, Fraktionschef Thomas Oppermann äußerte jedoch "absolut kein Verständnis" für das Timing - unmittelbar nach den Terroranschlägen und dem Amoklauf von München. "Das finde ich unprofessionell, denn die Bevölkerung wird dadurch doch noch mehr verunsichert." De Maizière reagierte auf den Vorwurf mit dem Hinweis, dass der Haushaltsausschuss des Bundestages eine Erneuerung des alten Konzepts von 1995 bereits 2012 angemahnt habe und sämtliche SPD-Minister bei der Ressortabstimmung durchaus darum hätten bitten können, das Konzept noch zurückzuhalten. Mit der Verkündung eines Konzepts auf eine Krise zu warten, sei jedenfalls "der falsche Zeitpunkt", erklärte er.

Zudem gebe es die entsprechenden Empfehlungen von seinem Amt bereits seit den frühen 60er Jahren, und sie würden ständig aktualisiert, erklärte Unger. Auf Nachfragen sagte de Maizière, auch er habe ein paar Kästen Mineralwasser und weiteren "Proviant" im Keller. In dem Konzept gebe es zwar auch den Hinweis, dass private Vorsorge eine sinnvolle Ergänzung zum staatlichen Handeln in Katastrophenfällen sei. Im Vordergrund stehe aber, den Stand der Krisenplanungen zu überprüfen und, wo nötig, zu überarbeiten.

In dem neuen Konzept werden alle zivilen Bereiche durchgespielt, die für den Verteidigungsfall Fähigkeiten zur Unterstützung der Streitkräfte vorhalten müssen. Dabei geht es auch um die Funktionsfähigkeit der Post, damit im Krisenfall etwa Wehrpflichtbescheide zugestellt werden können. Aktuell gehe es nicht um eine Wiedereinführung der Wehrpflicht, sagte de Maizière.

Gleichwohl freundete sich etwa der CDU-Rechtspolitiker Patrick Sensburg mit einer schrittweisen Wiedereinführung an. Für den Unions-Innenexperten Stephan Mayer gehört es zu einer umfassenden Vorsorge, alle Eventualitäten durchzudenken, also auch, die Wehrpflicht wieder einzuführen. CDU-Verteidigungsexperte Henning Otte beschränkte das auf "krisenhafte Entwicklungen". Der SPD-Politiker Johannes Kahrs hielt die Wehrpflicht-Debatte für "abstrusen Stuss".

(jd/may-)
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