Berlin Debatte um Mindestlohn für Migranten

Berlin · Um Flüchtlinge schneller in den Arbeitsmarkt zu integrieren, schlagen die Wirtschaftsweisen Ausnahmen vom Mindestlohn vor. In der großen Koalition hält der Streit über das Asyl für Syrer an.

Berlin: Debatte um Mindestlohn für Migranten
Foto: dpa, gfh

Der Sachverständigenrat der Wirtschaftsweisen hat Bund und Länder aufgefordert, angesichts der hohen Flüchtlingszahl die Mietpreisbremse wieder abzuschaffen, den Mindestlohn 2017 nicht anzuheben und mehr Ausnahmen vom Mindestlohn zuzulassen. Das sei notwendig, damit die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt gelingen und Deutschland die Herausforderungen der Flüchtlingsmigration insgesamt bewältigen könne, heißt es im neuen Gutachten des Sachverständigenrats zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

Für die Unterbringung der Flüchtlinge müsse sehr rasch privater neuer Wohnraum geschaffen werden. Die in vielen Städten eingeführte Mietpreisbremse halte private Investoren aber von neuen Wohn-Projekten ab, warnt der Rat. Auch von einer Erhöhung des Mindestlohns von derzeit 8,50 Euro pro Stunde sei abzuraten. "Der Mindestlohn dürfte für viele Flüchtlinge eine hohe Eintrittsbarriere darstellen. Angesichts des steigenden Arbeitsangebots im Niedriglohnbereich sollte der Mindestlohn keinesfalls erhöht werden", heißt es. Die SPD lehnte Änderungen in einer ersten Reaktion ab. Eine Kommission aus Arbeitgebern und Gewerkschaften entscheidet im kommenden Jahr, ob und wie stark die Lohnuntergrenze ab 2017 angehoben werden soll.

Die fünf Top-Ökonomen fordern, dass anerkannte arbeitsuchende Flüchtlinge von Beginn an als Langzeitarbeitslose gelten und so bis zu zwölf Monate zu niedrigeren Löhnen beschäftigt werden können. Praktika sollten bis zu einer Dauer von zwölf Monaten vom Mindestlohn ausgenommen werden. Ein nach Alter gestaffelter Mindestlohn könne zudem die Eintrittshürde für junge Erwachsene senken. "Den Migranten sollten keine Privilegien gegenüber anderen Beschäftigten eingeräumt werden, sie sollten aber auch nicht schlechtergestellt werden", schreiben die Sachverständigen.

In der großen Koalition sorgt die unabgesprochene Verschärfung im Asylverfahren für syrische Flüchtlinge weiter für Streit. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verteidigte seine Entscheidung , das Dublin-Verfahren wieder für syrische Asylbewerber anzuwenden. "Wir verfolgen das Ziel, damit wieder zu geordneten Verfahren bei der Einreise zurückzukehren", sagte de Maizière im Bundestag. Asylsuchende aus dem Bürgerkriegsland können demnach in den Staat zurückgeschickt werden, über den sie in die EU eingereist sind. Wegen der stark angestiegenen Flüchtlingszahlen habe man dieses Vorgehen bei Syrern im August vorübergehend gestoppt, es im Oktober aber wieder eingeführt. Darüber und über das Vorhaben, den Familiennachzug für Syrer auszusetzen, waren weder die Bundeskanzlerin noch Flüchtlingskoordinator Peter Altmaier informiert. Die Kabinettskollegen seien aber "nicht überrascht" gewesen, erklärte eine Regierungssprecherin. Es habe sich um eine "Ressortverantwortung" de Maizières gehandelt.

SPD, Opposition und Flüchtlingsgruppen wollen das nicht hinnehmen. "Im Moment ist unser Hauptproblem der Bundesinnenminister", sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Der CDU-Politiker produziere Chaos an jedem zweiten Tag. SPD-Fraktionsvize Eva Högl verlangte von der Union eine Klärung, "wer in der Flüchtlingspolitik den Hut aufhat". Es gehe zudem um regelmäßige Informationslieferungen. "Wir erwarten vom Koalitionspartner wöchentliche Fortschrittsberichte und ein mit allen Ressorts abgestimmtes Vorgehen", sagte Högl unserer Redaktion.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort