Poissy Der französische Trump

Poissy · Nicolas Sarkozy lässt sich von einem drohenden Gerichtsverfahren wegen seiner Wahlkampfkosten überhaupt nicht beeindrucken. Gegen Alain Juppé, den Rivalen in der eigenen Partei, setzt er auf streng nationalistische Parolen.

Als Nicolas Sarkozy den voll besetzten Saal im Kulturzentrum von Poissy bei Paris betritt, steht Joëlle Quinard von ihrem weißen Plastikstuhl auf und filmt den Kandidaten mit ihrem Handy. "Ich liebe Sarkozy", gesteht die Rentnerin mit dem grau-blonden Pferdeschwanz, die seit Jahrzehnten konservativ wählt. "Er reißt die Leute mit. Juppé schafft das nicht." Der ehemalige Regierungschef Alain Juppé ist der große Widersacher in Sarkozys Partei der Republikaner im Kampf um die Präsidentschaftskandidatur.

Im November entscheiden die Anhänger der Konservativen und der Mitte in Vorwahlen, wen sie im kommenden Jahr ins Rennen um die Präsidentschaft schicken. Wenn es nach den rund 200 Zuhörern in Poissy geht, dann heißt der Kandidat Sarkozy. Dass dem Ex-Präsidenten ein Gerichtsverfahren wegen illegaler Wahlkampffinanzierung droht, stört die meisten Anhänger nicht. "Das ist eine Art Bashing", bemerkt ein 19-jähriger Jura-Student mit dem blau-weißen T-Shirt der jungen "Sarkozystes".

Ob es zu einem Verfahren kommt, müssen die Ermittlungsrichter in den nächsten Wochen entscheiden. Die Staatsanwaltschaft hatte sich in einem 142 Seiten dicken Dossier am Montag dafür ausgesprochen. Der für seinen Hang zum Luxus bekannte Sarkozy will nichts von den 23 Millionen Euro gewusst haben, die er für den Wahlkampf gegen François Hollande 2012 zu viel ausgab. "Kein Manöver, keine noch so schändliche Manipulation wird mich auch nur einen Zentimeter von meinem Willen abbringen, einen Wechsel herbeizuführen", versichert er am Dienstagabend unter dem Jubel seiner Anhänger.

Die Chancen des Kandidaten, die Vorwahlen zu gewinnen, steigen. Nur zwei Prozentpunkte liegt Sarkozy laut einer in dieser Woche veröffentlichten Umfrage noch hinter dem lange deutlich führenden Juppé. "Mein Mann will für Juppé stimmen", sagt Joëlle Quinard. "Er ist nicht schlecht als Politiker, aber Sarkozy ist rhetorisch stärker." Der aggressive Ton des Ex-Präsidenten gefällt ihr besser als der des unterkühlten, ausgleichenden Juppé.

Sarkozy versteht es auch besser, sich als starker Mann nach fünf Jahren Sozialismus in Szene zu setzen. "Ich habe gespürt, dass ich die Kraft habe, den Kampf in einem so turbulenten Moment unserer Geschichte zu führen", schreibt der 61-Jährige in seinem neuen Buch "Tout pour la France" ("Alles für Frankreich"), mit dem er vor gut zwei Wochen seine erneute Kandidatur ankündigte und gleichzeitig die Bestsellerlisten eroberte. Dass 80 Prozent der Franzosen gegen seine dritte Kandidatur sind, stört den gelernten Anwalt nicht.

Im Wahlkampf setzt der langjährige Innenminister auf nationalistische Parolen, um Wähler vom rechtspopulistischen Front National (FN) zurückzuholen. Bereits nach fünf Minuten Redezeit kommt er in Poissy auf eines seiner Lieblingsthemen: die nationale Identität. "Unser Land wird durch die Tyrannei der Minderheiten erdrückt", sagt er unter dem Beifall der Zuhörer. Ein Satz, der deutlich auf die Muslime zielt und auch von FN-Chefin Marine Le Pen stammen könnte.

"Sarko Président" rufen die jungen Einpeitscher, die vor den Ausgängen stehen und für Stimmung sorgen sollen. Die jugendlichen Anhänger, die unter den Zuhörern sichtlich in der Minderheit sind, kommen meist aus gutem Elternhaus. "Unsere Eltern sind Unternehmer und vertreten ebenfalls Sarkozys Ideen", sagt einer von ihnen mit frisch gebügeltem schwarzen Hemd und blank geputzten Lederschuhen. Allerdings könnte er sich auch Juppé als Präsidentschaftskandidat vorstellen. Und das, obwohl die beiden Politiker nicht nur im Temperament, sondern auch in ihren Vorstellungen weit auseinanderliegen.

Juppé setzt im Gegensatz zu Sarkozy auf ein harmonisches Miteinander - die "glückliche Identität", über die sich sein Rivale Sarkozy gerne lustig macht. Das gesonderte Schulessen für muslimische Schüler, das Sarkozy abschaffen will, ist für ihn kein Problem. Auch den Burkini will er nicht per Gesetz verbieten, wie sein Rivale es fordert. Gegen sein Image als distanzierter Politiker will Juppé mit einem neuen, persönlich gefärbten Buch angehen, das morgen in digitaler Form herauskommt. In die Bestsellerlisten dürfte der 71-Jährige es damit nicht schaffen. Zumindest den Kampf um die Leser hat Sarkozy schon gewonnen.

(RP)
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