Nordkorea-Krise Der gefährlichste Konflikt der Welt

Pjöngjang · Das Bild von Nordkorea ist geprägt von Berichten über brutale Arbeitslager, Dürren und Hungersnöten, Drohungen an die Weltgemeinschaft und dem andauernden Streit mit dem Bruderstaat im Süden. Hinzu kommt: Staatsführer Kim Jong Un scheint unberechenbar.

 Personenkult in Nordkorea: Auf dem Kim-Il-Sung-Platz in der Hauptstadt Pjöngjang hängen überlebensgroße Gemälde der verstorbenen nordkoreanischen Diktatoren Kim Il Sung (links) und Kim Jong Il (Archivbild).

Personenkult in Nordkorea: Auf dem Kim-Il-Sung-Platz in der Hauptstadt Pjöngjang hängen überlebensgroße Gemälde der verstorbenen nordkoreanischen Diktatoren Kim Il Sung (links) und Kim Jong Il (Archivbild).

Foto: dpa, WM scg tba

Ob Lastwagen mit Holzvergaser oder Atomwaffenprogramme mit mobilen Abschussrampen - Nordkorea im Jahr 2017 ist und bleibt das isolierteste Land der Welt. Nur wenige Nachrichten aus der kommunistisch geprägten Diktatur dringen bis zu uns vor - und wenn wir etwas aus Nordkorea hören, dann sind dies meist wunderliche oder bedrohliche Nachrichten.

Mondlandschaft aus glühender Asche

Um das Land, die Menschen und seine Führung verstehen zu können, bedarf es eines Blicks in die Historie. Denn Nordkorea in seiner heutigen Gestalt ist ein Produkt des Koreakriegs 1950 bis 1953, der so verheerend war für die gesamte koreanische Halbinsel, dass Zeitzeugen von einer Mondlandschaft aus glühender Asche sprechen. Der Krieg zwischen den UN-Truppen unter amerikanischer Führung und seinen nordkoreanischen, chinesischen und sowjetischen Gegenspielern hat mehr als 940.000 Soldaten und etwa drei Millionen Zivilisten das Leben gekostet. Das Land wurde dabei praktisch ausradiert.

Nordkorea-Krise: Der gefährlichste Konflikt der Welt
Foto: Ferl

Seoul, die heutige Hauptstadt Südkoreas, war im Verlauf der wechselnden Fronten allein viermal von den verschiedenen Kampfparteien erobert worden; die Achte Armee der Amerikaner wurde beim Rückzug aus Nordkorea im Winter 1951 fast vollständig aufgerieben.

Nachdem sich die Fronten wieder an der alten Demarkationslinie nahe des 38. Breitengrades in einem unmenschlichen Grabenkrieg wiedergefunden hatten, begann der Luftkrieg - wodurch Pjöngjang am 29. August 1952 von mehr als 1400 Bombern fast völlig zerstört wurde. Damit nicht genug - im Rahmen des fast uneingeschränkten Luftkrieges wurden nahezu alle Industrieanlagen zerstört und 18 von 24 Großstädten dem Erdboden gleichgemacht. Die US-Luftwaffe warf 380.000 Tonnen Bomben und 70.000 Tonnen Napalm ab. Die Verluste: verheerend. Der Krieg bombte Nordkorea wortwörtlich in seine heutige wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Lage.

Aber auch die Chuch'e-Ideologie prägte die nordkoreanische Gesellschaft. Chuch'e bedeutet "Selbstgenügsamkeit" oder "Autarkie" und verlangt danach, dass die koreanische Nation ihre gesellschaftliche Revolution eigenständig vorantreiben muss. Politische Souveränität, wirtschaftliche Selbstversorgung und militärische Eigenständigkeit sind die drei Grundpfeiler der Ideologie.

Die Interessen der Nation sollten über denen der internationalen kommunistischen Bewegung stehen, und ein Arbeiterführer soll die Gesellschaft leiten. Diesen Führer sah die junge nordkoreanische Nation in ihrem Staatsgründer Kim Il Sung. Er war es auch, der die Ideologie formulierte und voranbrachte, um damit ein kommunistisches Pendant der Volksrepublik China entgegenzusetzen.

Durch Propaganda und Indoktrinierung verankerte Kim Il Sung die Chuch'e-Ideologie fest in der Gesellschaft. Chuch'e wurde Nordkoreanern von Kindesbeinen an gelehrt und führte in Kombination mit dem ausgeprägten Personenkult zu einer sektenartigen Gesellschaftsform mit bizarren Ausprägungen. So stehen im ganzen Land Statuen des ewigen Präsidenten; Brautpaare huldigen ihrem geistigen Führer mit Blumengaben.

Der nordkoreanischen Geschichtsschreibung nach hat Kim Il Sung nicht nur als Führer der Nation gedient, sondern auch als allgemeingelehrter Intellektueller mehr als 10.000 wissenschaftliche und prosaische Texte verfasst - darunter auch die Oper "Das Blumenmädchen", die man 1973 in einer Verfilmung in Leipziger Kinos sehen konnte.

Ergänzt wurde die Chuch'e-Ideologie unter dem Nachfolger Kim Jong Il durch die sogenannte Son'gun-Politik. Son'gun bedeute dabei so viel wie "Militär zuerst" und steht damit in klarer Linie zur Regierungsführung des zweiten Machthabers. Gestützt durch das Militär trieb Kim Jong Il den Ausbau der Armee zugunsten aller anderen zivilen Projekte voran, ließ 2006 die erste Atombombe des Landes zünden - und damit die Welt aufhorchen. Die zweite Zündung 2009 und spätestens die dritte 2013 unter seinem Sohn, dem heutigen Machthaber Kim Jong Un, führten zur aktuellen Nordkoreakrise. Diese verstärkt sich seither in wiederholten Raketentests, aufbrausender Rhetorik und US-amerikanischer Mobilmachung.

Wohin aber driftet Nordkorea? Aufschluss darüber können die Säuberungsaktionen innerhalb des Staatsapparats und seiner Eliten geben. Nordkorea wird noch immer von der Kim-Dynastie beherrscht. Militär und Sicherheitsapparat konzentrieren ihre Macht in der Nationalen Verteidigungskommission. Dass Kim Jong Un in den Jahren nach seiner Amtseinführung bis heute jeden potenziellen Rivalen ausschalten ließ, deutet auf interne Machtkämpfe hin.

Der Bruch zwischen ihm und seinem Onkel Jang Song Thaek zeigt, dass es auch um wirtschaftliche Interessen geht. Der Onkel hatte als zweiter Mann im Staat die Geschicke unter dem erkrankten Kim Jong Il geleitet und dabei Kohleabbau, Muschelzucht, Fischfang - die wichtigsten Ressourcen des nordkoreanischen Außenhandels - an sich gebunden. Letztlich wurden ihm diese Verbindungen zum Verhängnis, Kim Jong-un ließ ihn 2013 hinrichten.

Nordkoreas Machthaber scheint jedes Mittel zur Bereicherung seiner Eliten und zur Finanzierung seines Atomwaffenprogramms recht. Das zeigt ein 100 Seiten umfassender Bericht der Vereinten Nationen. Mit einem Geflecht aus Unternehmen in aller Welt gelingt es dem Land immer wieder, Sanktionen zu unterwandern. Angesichts des Kohleembargos durch Nachbar China dürften die ohnehin leeren Staatskassen auch leer bleiben, Kim Jong-un damit weiterem innenpolitischen Druck ausgesetzt sein und die Lage in Ostasien sich verkomplizieren.

(RP)
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