Analyse zur großen Koalition Der Kampf ums Kabinett

Berlin · Die prestigeträchtigen Ministerien für Außen und Innen waren bei der Vergabe der Posten am heftigsten umkämpft. Am längsten mussten die CSU-Minister zappeln, bis sie von ihren künftigen Ämtern erfuhren.

Analyse zur großen Koalition: Der Kampf ums Kabinett
Foto: dpa, Michael Kappeler

Zehn Tage, vom Ende der Koalitionsverhandlungen bis zum Einsendeschluss für den SPD-Mitgliederentscheid, war das politische Berlin wie in einem Vakuum versiegelt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer hatten SPD-Parteichef Sigmar Gabriel versichert, dass die Personalien vertraulich bleiben, bis die Sozialdemokraten ihre Basis-Abstimmung über die Bühne haben. Stichtag war der 12. Dezember, bis dahin mussten die Briefe für den Mitgliederentscheid eingegangen sein.

Erst kurz vor Ablauf dieser Frist ließen die Parteichefs vorsichtig ein wenig Luft an ihre Pläne. Dennoch wurde hinter den Kulissen mächtig um die Ressorts gerungen. Mehr als einmal überlegte Gabriel, ob er nicht doch die Option auf das Finanzministerium ziehen sollte. Es wäre zwar nicht sein Lieblingsressort gewesen, hätte der SPD als wichtigstes Ressort nach dem Kanzleramt aber einen größeren Einfluss gesichert. Erst Ende November stand fest, dass die Sozialdemokraten endgültig auf das Finanzministerium verzichten würden.

Für Merkel ist die Oberhoheit über die Finanzen von zentraler Bedeutung. Deshalb war es ihr recht, dass ihr SPD-Pendant letztlich zurückzog. Am Ende war es der gute Ruf von Amtsinhaber Wolfgang Schäuble, der das Ressort der CDU sicherte. Hätte Gabriel zugegriffen, wäre das Außenministerium an die CDU gefallen, zum ersten Mal seit 1966. Auch dafür wurde die Aufsteigerin im Kabinett, Ursula von der Leyen, gehandelt. Zwischenzeitlich war sie auch als Innenministerin im Gespräch. Denn dem bisherigen Verteidigungsminister Thomas de Maizière ist es äußerst schwergefallen, auf das Bundeswehr-Ressort zu verzichten. Er fürchtet, dass ein Wechsel ins Innenministerium als Folge der unglücklichen "Euro Hawk"-Affäre gedeutet werden könnte.

Die Idee, Ursula von der Leyen zur neuen Verteidigungsministerin zu machen, entstand schon im Oktober — zu Beginn der Koalitionsverhandlungen. Die Niedersächsin gilt als international geschult, spricht perfekt Englisch und Französisch und hat sich schon länger für außenpolitische Themen interessiert. Am liebsten wäre sie Außenministerin geworden. Festgezurrt wurde die Personalie am vergangenen Donnerstag, noch bevor die anderen Anwärter auf Ministerämter gefragt wurden.

Mit der zweitbesten Lösung muss sich hingegen der bisherige Umweltminister Peter Altmaier zufriedengeben. Er hatte lange bei Merkel geworben, ihn "an die Front" zu lassen. Der Jurist war als Innenminister gehandelt worden. Nun muss er als Kanzleramtsminister hinter den Kulissen agieren.

Langes Gerangel gab es auch um das Außenministerium. Die Sozialdemokraten reklamierten das Ressort von Anfang an für sich, und der bisherige SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier meldete seine Ansprüche an. Dadurch entstand für Gabriel das Problem, die Fraktionsspitze neu zu besetzen. Der eloquente Stratege Thomas Oppermann, bislang Fraktionsgeschäftsführer, wäre am liebsten Innenminister geworden. Er wurde aber von der Parteiführung mit Zureden und Drohungen bearbeitet, den zwar einflussreichen, in der Öffentlichkeit aber weniger sichtbaren Job des Fraktionschefs zu übernehmen.

Strategischer Vorteil für die SPD

Überraschend ist, dass die SPD die Ressorts für Wirtschaft und Energie sowie das Umweltministerium erhält. Bislang waren diese beiden Ressorts in Regierungen unter den jeweiligen Koalitionspartnern aufgeteilt. Für die SPD ein strategischer Vorteil: Die neue Umweltministerin Barbara Hendricks soll eine wichtige Rolle für NRW-Regierungschefin Hannelore Kraft einnehmen. Mit der Zuständigkeit für die Bau- und Wohnungspolitik bekommt Hendricks nicht nur zwei Abteilungen aus dem Verkehrsministerium, sondern auch die zentrale Koordinierungsfunktion für das Thema Stadtentwicklung — gerade in NRW ein wichtiger Bereich. Wahrscheinlich, wird Hendricks das Thema "soziale Stadt" in Angriff nehmen. Außerdem war Kraft wichtig, dass die Energiewende nun komplett in der Hand der SPD liegt.

CSU-Chef Horst Seehofer ließ seine Minister am längsten zappeln. Erst am Samstagabend sprach er mit den künftigen Ressortchefs — zunächst mit seinem Generalsekretär Alexander Dobrindt, der frühzeitig eine Garantie für den Einzug ins Kabinett bekommen hatte. Dobrindt soll als Verkehrsminister das CSU-Schwerpunktthema Pkw-Maut umsetzen. Zudem soll er als Verantwortlicher für den Bereich Digitalisierung der CSU einen modernen Anstrich verleihen.

Warum Ramsauer gehen muss

Peter Ramsauer, lange Jahre ein Aushängeschild der CSU, muss hingegen weichen. Er bekommt auch kein anderes Ressort. In CSU-Kreisen wird das mit seinem schwierigen Verhältnis zu Seehofer begründet. Der CSU-Chef war seit Langem unzufrieden mit Ramsauer und wollte die Gelegenheit nutzen, seine Führungsriege zu verjüngen.

Der bisherige Innenminister Hans-Peter Friedrich durfte zwischen Entwicklungs- und Landwirtschaftsministerium wählen. Der Oberfranke entschied sich für das in Bayern wichtige Agrarressort. Dies hatte er schon kommissarisch nach dem Abgang von Ilse Aigner im Oktober übernommen. In der Ministeriumshierarchie ist der Wechsel vom Innen- zum Landwirtschaftsressort ein deutlicher Abstieg.

Der bisherige Staatssekretär im Agrarministerium, Gerd Müller, wird zum Minister befördert und übernimmt das Entwicklungsressort. Die frühere Vorsitzende des Entwicklungshilfe-Ausschusses im Bundestag, Dagmar Wöhrl, hatte vergeblich auf eine Berufung gehofft. Neuer Generalsekretär der CSU wird Andreas Scheuer, ausgerechnet ein enger Vertrauter Ramsauers und bisher Staatssekretär im Verkehrsressort. Scheuer spielt gerne auf Angriff. Solche Typen mag Seehofer.

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(RP)
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