Analyse Der Reichtum der Deutschen

Düsseldorf · Mehr als 100 Millionen Euro investierte Aldi-Erbe Berthold Albrecht in Kunstwerke und Oldtimer, während viele Bürger kein Vermögen haben. Wohlstand ist relativ ungleich verteilt, es gibt zu wenige Immobilienbesitzer.

Die Reichen werden immer reicher, die Armen hinken hinterher - die Affäre um den verstorbenen Aldi-Erben Berthold Albrecht bestätigt das Vorurteil: Mehr als 100 Millionen Euro hatte er für Kunstwerke und Oldtimer ausgegeben. Das kam nun heraus, weil die Witwe von Albrecht Strafanzeige gegen den Düsseldorfer Kunstberater Helge Achenbach stellte. Ihm wird beim Einkauf von edlen Waren Betrug in Millionenhöhe vorgeworfen.

Der Vorgang zeigt, dass die Kluft zwischen den "obersten Zehntausend" in Deutschland und der breiten Bevölkerung größer geworden ist. Deutschland hat als Land der sozialen Marktwirtschaft von Ludwig Erhard zwar den Anspruch auf Chancengerechtigkeit und eines gewissen sozialen Ausgleichs, doch tatsächlich hat sich in den vergangenen Jahrzehnten beim Vermögen eine hohe Ungleichheit aufgebaut.

Verteilung Zehn Prozent der Personen gehören in Deutschland rund 60 Prozent des Kapitals in Form von Fabriken, Aktien, Lebensversicherungen, Fonds und Immobilien. Das hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ausgerechnet. Im Durchschnitt hat jeder Bürger - nicht Haushalt - ein Vermögen von 83 000 Euro.

Spannend: Bereits ab 216 000 Euro gehört man als Einzelperson zu den obersten zehn Prozent beim gesparten Kapital. Und ab 817 000 Euro ist man Teil der Spitzengruppe des reichsten einen Prozents. Und insgesamt gibt es in Deutschland laut der Unternehmensberatung Boston Consulting fast 1000 Haushalte mit einem Vermögen von mehr als 100 Millionen Dollar (74 Millionen Euro). Dazu gehören als Spitzenreiter die Aldis, die BMW-Erben Quandt oder die Boehringer-Familie, die auch über Helge Achenbach Kunstwerke gekauft hatte. Den guten Zahlen an der Spitze stehen schlechte Zahlen am unteren Ende gegenüber: Fast die Hälfte der Erwachsenen hat laut DIW ein Vermögen von unter 17 000 Euro. Ein Fünftel der Bevölkerung verfügt über faktisch keine Ersparnisse - viele von ihnen leben in Ostdeutschland, oft sind es Immigranten oder Alleinerziehende.

Relativierung Von einem Bankrott der sozialen Marktwirtschaft kann trotzdem nicht die Rede sein. So sind in den Ländern Skandinaviens, Japan, Italien und Frankreich Vermögen zwar gleicher verteilt, aber in den USA, Russland, Indien und vielen anderen Staaten die Unterschiede viel größer.

Außerdem bedeutet das Niveau des deutschen Sozialstaates für die ärmeren Schichten mehr an Wohlstand, als es einige Tausend Euro auf dem Konto wären: Die Rentner sind meist in der relativ günstigen Krankenkasse; die Rente für Männer liegt im Schnitt bei 1003 Euro, im Schnitt hat ein Bürger Renten- und Pensionsansprüche von 67 000 Euro erworben - das gleicht die Ungleichheit der Vermögen zu 20 Prozent aus, schätzt das DIW.

Aber es gibt riesige Unterschiede. Arbeitslose haben meist gar kein Vermögen, ihr Rentenanspruch liegt bei 40 000 Euro. Arbeiter kommen beim Vermögen und beim Rentenanspruch auf im Schnitt jeweils etwas unter 50 000 Euro, kurz vor der Rente liegt der Anspruch höher. Und Pensionäre liegen nicht nur vorne beim Vermögen mit 195 000 Euro pro Kopf, sondern auch bei den Ansprüchen auf Altersruhegeld. Auf 300 000 Euro schätzt das DIW den Wert der künftigen Pensionszahlungen eines pensionierten Beamten.

Problem Mietergesellschaft In Frankreich, Griechenland oder Italien leben laut Europäischer Zentralbank (EZB) rund 75 Prozent der Haushalte im eigenen Haus oder der eigenen Wohnung. Im "Mieterland" Deutschland waren es 2010 nur 46 Prozent. Die niedrige Wohneigentumsquote ist damit wohl der wichtigste Grund für das relativ niedrige Vermögen auch in großen Teilen der Mittelschicht. Von den zehn Prozent der wohlhabendsten Personen leben dagegen 90 Prozent in der eigenen Immobilie. Das hat das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) berechnet.

Und während dieses oberste Zehntel von seinem durchschnittlichen Vermögen von 640 000 Euro pro Kopf rund 200 000 Euro in die eigene Immobilie steckte, investierte es im Schnitt auch noch fast genauso viel Geld in eine weitere Immobilie. Als Ergebnis sind die hiesigen Vermögenden im Alter stärker von Mieteinnahmen abhängig als Wohlhabende im Ausland, wogegen hiesige Rentner oft relativ viel Geld für Miete aufwenden müssen - auch ein Grund für drohende Altersarmut.

Die sparenden Wohlhabenden Laut IW haben die hiesigen Wohlhabenden nur 16 Prozent des Vermögens geerbt -das deckt sich damit, dass ältere Menschen im Schnitt viel mehr Vermögen haben als jüngere Bürger. Es sind auch überwiegend Beamte, leitende Angestellte, Freiberufler und Unternehmer, die hohen Wohlstand haben. "Die Menschen mit relativ viel Vermögen haben oft über viele Jahrzehnte gut verdient und gut gespart", sagt IW-Forscherin Judith Niehaus.

Erbenboom Allerdings wird die Bedeutung der Erbschaften im Wohlstandsgefüge zunehmen. Die jetzige Generation der Wohlhabenden hat ihre Güter zwar überwiegend selbst aufbauen müssen, doch ihre Kinder werden die höchsten Erbschaften der deutschen Geschichte erhalten.

Allein im Jahr 2020 sollen 330 Milliarden Euro vererbt werden, prognostiziert die Postbank - anders als die Forscher vom DIW, die die Erbmasse für 2010 wesentlich geringer einschätzen. "Das Erbvolumen wird drastisch und auf ein historisches Niveau steigen", sagt Michael Meyer, Vertriebsvorstand der Postbank. Und weil immer mehr Familien nur ein Kind statt wie früher drei oder vier Kinder haben, erhält der einzelne Erbe im Schnitt deutlich mehr Geld als bisher. Die Postbank erwartet künftig viele Millionen Erbschaften von deutlich mehr als 100 000 Euro.

(RP)
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