Der richtige Mann in unruhigen Zeiten

Steinmeier ist der richtige Mann in unruhigen Zeiten, um als Bundespräsident die Nachfolge von Joachim Gauck anzutreten. Er ist beliebt und bekannt im Volk, kann sich glänzend auf internationalem Parkett bewegen, und er kann moderieren. Das hat er unter anderem beim Atom-Abkommen mit dem Iran unter Beweis gestellt. Er hat Format genug, dass er den Vergleich mit seinem erfolgreichen Vorgänger Joachim Gauck nicht scheuen muss.

Die Art und Weise, wie diese Kandidaten-Entscheidung zustande gekommen ist, war erneut dem Amt nicht angemessen. Die Parteispitzen haben geschachert (Seehofer), gezockt (Gabriel) und gezögert (Merkel). Den Machtpoker hat am Ende die SPD gewonnen - nicht weil sie so clever ist, sondern weil die Sozialdemokraten die Einzigen waren, die einen überzeugenden, konsensfähigen Kandidaten aufboten.

Auf Steinmeier warten schwierige Aufgaben: Die Repräsentation Deutschlands im Ausland wird dabei die leichteste Übung sein. Der künftige Bundespräsident nimmt eine zentrale Rolle ein, wenn es darum geht, amerikanische oder auch polnische Verhältnisse in Deutschland zu verhindern: die Abwendung einer großen Zahl an Bürgern vom politischen Establishment hin zu Populisten und Außenseitern. Mit der Beschimpfung dieser politischen Außenseiter, wie es Steinmeier bei Trump getan hat, wird man die politisch frustrierten Bürger nicht aufhalten. Im Gegenteil: Man bestärkt sie in ihrer Haltung. Um diese Menschen wieder einzusammeln, braucht Steinmeier mehr als diplomatisches Geschick. Es bedarf einer Strategie, mit der er konstruktive politische Debatten anstößt, an denen sich auch jene beteiligen, die jetzt nicht über ihn als neuen Präsidenten jubeln.

Zumal ein Bundespräsident Steinmeier auch das Signal eines großkoalitionären Weiter-so setzt. Das ist die ernüchternde Seite dieser Entscheidung: Die etablierten Parteien sind inzwischen so schwach, dass sich nicht mehr das linke oder das rechte Lager bei einer Entscheidung wie der Präsidenten-Wahl durchsetzen kann. Eine solche Entwicklung droht große Koalitionen immer weiter schrumpfen zu lassen, wie das Beispiel Österreich zeigt.

Für die Kanzlerin ist die Entscheidung für Steinmeier erneut eine Schmach. Sie hatte sich allein aus parteipolitischen Gründen gegen die Vernunft-Lösung ausgesprochen, die sie nun akzeptieren muss. Ihr ist es nicht gelungen, auch nur einen einzigen Kandidaten ans Licht der Öffentlichkeit zu befördern, der annähernd Steinmeiers Format hat oder eine überraschende Alternative zu ihm bietet. Das war schwach.

(qua)
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