Rom Der schwere Weg des Reformers

Rom · Angeführt von Papst Franziskus, signalisieren die katholischen Bischöfe bei der Synode im Vatikan eine Öffnung gegenüber Geschiedenen und Homosexuellen. Doch die Widerstände wachsen.

Der Papst schweigt. Er sitzt da, die Hände auf dem Tisch gefaltet, den Kopf aufgestützt. Franziskus hört zu. Seit bald zwei Wochen beraten die Bischöfe bei der Synode im Vatikan darüber, was die katholische Kirche heute zu Sexualität, Ehe und Familie zu sagen hat. Der Papst sagt kein Wort. Ab und zu macht er eine Notiz und schiebt sie dem Synoden-Generalsekretär Kardinal Lorenzo Baldisseri zu. Eigentlich muss Franziskus auch gar nichts sagen. Alle ahnen, was er vorhat: Papst Franziskus will eine Kirche, die sich den Menschen öffnet.

Das ist eine unausgesprochene Kriegserklärung an die Tradition. Oder zumindest empfinden es die konservativen Kräfte in der katholischen Kirche als solche, wenn wie jetzt in einem offiziellen Dokument der Kirche Sätze zu lesen sind wie: "Homosexuelle Personen haben Gaben und Qualitäten, die wertvoll für die christliche Gemeinschaft sein können." Diese Worte, auch wenn sie nur im vorläufigen Zwischenbericht der Synode stehen, sind eine Sensation in einer Kirche, die gelebte Homosexualität bislang als Krankheit oder Sünde abtat.

Es ist Mittagspause bei der Synode. Zwei Schweizergardisten schlagen am Petrianus-Tor die Hacken zusammen, als Kardinal Raymond Leo Burke in Richtung Petersplatz schreitet. Der US-Kardinal knetet einen Rosenkranz in seiner Hand. Er ist entsetzt, sein Gesichtausdruck ist finster. "Wir müssen das korrigieren", schimpft er. "Die Wahrheit, die Wahrheit", erwidert er auf die Frage nach dem Ziel dieser Versammlung. Die Wahrheit, das ist der Begriff, der für Kirchenmänner wie Burke gleichbedeutend ist mit kompromissloser Treue zum Wort Gottes.

Kann es einen Richtungswechsel geben, weg Tradition hin zu einer Öffnung in Tabu-Fragen? Etwa die Anerkennung positiver Elemente in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, in zivilen Ehen oder das Zugeständnis der Kommunion für Wiederverheiratete trotz des Gebots der Unauflöslichkeit der Ehe?

Nicht wenige haben Angst, die größte Glaubensgemeinschaft der Welt könnte ihre gesamte Glaubwürdigkeit einbüßen, wenn sie auch nur einen kleinen Stein im großen Mosaik der Dogmen löst. Der Ruf nach einer Kirche, die sich dem wirklichen Leben nicht weiter verschließt, ist bei der bis Sonntag dauernden Synode unüberhörbar laut. Die meisten Bischöfe, darunter der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx oder der Wiener Kardinal Christoph Schönborn, sehen die Zeit reif für einen Wandel.

Was hingegen Kompromisslosigkeit bedeutet, kann man jeden Tag bei der Messe in der Kirche Santissima Trinità dei Pellegrini in der Altstadt Roms betrachten. Die Trinità dei Pellegrini ist das letzte Refugium der Traditionalisten. Burke und andere ultrakonservative Eminenzen sind hier Stammgäste und die Paladine einer Kirche, die sich gegen den Zeitgeist wehrt, als wäre er die Pest. Es war Benedikt XVI., der 2007 den Traditionalisten per Dekret den Gottesdienst nach der alten Liturgie wieder erlaubte. Für die meisten hier ist der emeritierte deutsche Papst die Bezugsperson auf der anderen Seite des Tiber und nicht der menschenfischende Pastor aus Argentinien. Für die Hardliner ist im Vatikan der Teufel am Werk. Ihr Widerstand wird immer stärker.

Burke, der in Rom noch viele Gefolgsleute hat, behauptet, die Information über die Synode sei manipuliert. "Eine beachtliche Zahl von Bischöfen ist gegen die Öffnung, aber die wenigsten haben das mitbekommen", sagt er. Burke ist nicht allein. Der einflussreiche australische Kardinal und Sekretär des neuen Wirtschaftssekretariats, George Pell, nennt die Gegenwartskultur eine "Epidemie". Auch er ist ein entschiedener Gegner der Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion. Scheidung auf Katholisch? Niemals.

Der Vorsitzende der polnischen Bischofskonferenz erkennt bei der Synode "Spuren einer Anti-Ehe-Ideologie". Südafrikaner, Italiener, Afrikaner protestieren. Natürlich hat sich auch der deutsche Präfekt der Glaubenskongregation geäußert, dessen Aufgabe es ist, die katholische Lehre zu verteidigen. Erst kritisierte Kardinal Gerhard Ludwig Müller, dass die einzelnen Redebeiträge nicht wie sonst veröffentlicht wurden. Dann bezeichnete er es als "unwürdig, schändlich und komplett falsch", wie die Diskussion offiziell zusammengefasst worden sei, berichten italienische Zeitungen.

Die Kritik am Papst, er geleite die Bischöfe mit umstrittenen Methoden zu seinem Ziel, ist nicht ganz unbegründet. So ordnete Franziskus an, die Redebeiträge nicht zu veröffentlichen. Zudem ernannte er sechs Synodenväter seiner Wahl, die das Schlussdokument mit formulieren sollen. Alle sechs gelten als reformorientiert, drei von ihnen sind enge Papst-Vertraute. Die Synode, deren Diskussionskultur von den Teilnehmern gelobt wurde, ist vielleicht gar nicht so frei.

Die Freunde des Papstes bereiten sich jedenfalls auf stürmische Zeiten vor. "Es geht darum, einen Anfang zu machen und nichts übers Knie zu brechen", sagt der argentinische Erzbischof Victor Manuel Fernández, ein Freund des Papstes. "Die Früchte kommen dann im richtigen Moment."

(RP)
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