Khartum Der Sudan will die Blauhelme loswerden

Khartum · Der Streit um Wasser und Gold sorgen für Konflikte in der Krisenregion Darfur. Die Regierung drängt trotzdem auf einen Abzug der Uno.

Am Check-in nach Al Fascher ist Hauptmann Franke nicht zu übersehen. Groß, schlank, sportlich, blondes Stoppelhaar, ist der Mann aus Hamburg auf dem Flug zurück nach Darfur, in die Krisenregion, die so lange für schlimme Schlagzeilen sorgte und Umar al-Baschir, dem Präsidenten Sudans, einen Haftbefehl vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag einbrachte. Franke ist in einem Einsatz, "der in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt ist", teilt seine oberste Dienststelle in Potsdam mit. Bundeswehrsoldaten schieben Blauhelmdienst in Darfur, für die nach Kongo zweitgrößte UN-Mission der Welt. Seit 2008 waren zeitweilig bis zu 50 deutsche Soldaten dort im Einsatz. Jetzt sind noch zehn vor Ort. "Wir sind die letzten Europäer in Darfur", berichtet der Hauptmann, "alle anderen sind schon abgezogen."

Auch die Uno selbst hat damit begonnen, von den 15 000 Blauhelmen, die in Darfur stationiert sind, einige aus den "stabilen" Gebieten abzuziehen. Ein vollständiger Abzug wird derzeit diskutiert. Die Regierung in Khartum halte Darfur fest im Griff, hat Franke erfahren, und wolle die Uno loswerden.

Noch immer wird im Westen Darfurs, an der Grenze zum Tschad, gekämpft. Es gibt keine einheitlichen Fronten. Auf der einen Seite steht die sudanesische Armee und deren mit Söldnern angeheuerte Milizen, auf der anderen zwei große Rebellenorganisationen, aber auch viele kleine. Eine Einigung zwischen den Rebellen und der Regierung in Khartum ist auch heute, 15 Jahre nach Ausbruch des Bürgerkrieges, nicht in Sicht, obwohl Präsident Baschir jetzt verstärkt zur Versöhnung aufruft und einen Nationalen Dialog in Gang setzen will, an dem sich alle bislang verfeindeten Parteien beteiligen sollen.

Doch das Misstrauen gegenüber dem Mann, den viele einen Schlächter nennen und der Tausende von Toten auf dem Gewissen haben soll, ist groß. Auch wenn die Angaben des Haager Strafgerichtshofes, der von 300 000 toten Zivilisten in Darfur spricht, zu hoch gegriffen sein könnten, bleibt doch der Ruf des buchstäblich über Leichen gehenden Militärherrschers an ihm hängen. "Baschir hatte seinen Rücktritt angeboten", sagt sein Assistent, Ibrahim Ghandour, "aber die Partei hat ihn gebeten, noch für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren zu kandidieren." Die Angst bestehe, dass nicht nur Baschirs Nationale Kongresspartei (NCP), sondern das ganze Land auseinanderfalle. Dann hätten, so die Einschätzung Ghandours, Terrorgruppen wie al Qaida, IS, Boko Haram oder al-Shabab auch im Sudan leichtes Spiel und damit halb Afrika unter ihrer Kontrolle. Am 13. April sollen Parlamentswahlen abgehalten werden. Wichtige Oppositionsgruppen drohen mit Boykott, wie schon beim letzten Mal. Die Krisenregion Darfur wird nicht daran teilnehmen.

Nach gut einer Stunde Flug landet die Uno-Maschine auf dem Flughafen von Al Fascher, der Hauptstadt der Region Darfur, die aus fünf Provinzen besteht, eineinhalb Mal so groß ist wie Deutschland, aber nur knapp sieben Millionen Einwohner hat. Hauptmann Franke entschwindet im UN-Komplex. Er sei dort für die Logistik zuständig, erklärt der Mann aus Hamburg, der auch schon im Kosovo und in Afghanistan für die Bundeswehr unterwegs war und in Abu Dhabi Soldaten der irakischen Armee ausbildete. Bei all seinen früheren Einsätzen hätte es regen deutschen Besuch aus Politik und Medien gegeben. "Aber hierher kommt niemand." Wer nach Darfur reisen will, braucht eine Sondergenehmigung der Regierung in Khartum, obwohl die Uno praktisch alles managt. Durch die von den USA verhängten Sanktionen gegen Sudan ist die staatliche Fluggesellschaft Sudanair kaum noch einsatzfähig. Es fehlen Ersatzteile. Immer mehr Flugzeuge bleiben am Boden. Auch sudanesische Regierungsmitglieder, die nach Darfur wollen, benutzen die UN-Boeing.

Trotzdem ist die Uno zum ungeliebten Partner avanciert. Der stellvertretende Gouverneur der Provinz Nord-Darfur, Abul Abbas al-Tahib, ruft die Weltgemeinschaft dazu auf, lieber die 1,3 Milliarden US-Dollar, die die Unamid-Mission jährlich kostet, in Infrastrukturprojekte zu stecken, um die Region zu entwickeln. "Wenn die Uno das Geld in den Aufbau einer funktionierenden Wasserversorgung stecken würde, hätten wir das Problem Darfur gelöst", behauptet al-Tahib. Elf UN-Organisationen und 29 internationale Hilfsorganisationen verschlängen Unsummen, die nicht den Menschen in Darfur zugute kämen. Der Krieg hier habe mit einer großen Dürre begonnen, dem Streit um Wasser zwischen Nomaden und sesshaften Bauern. Früher habe es in der Regenzeit drei Wochen lang geregnet, jetzt einen Tag. Inzwischen sei der Konflikt ethnisch geprägt. "Und nun kommt auch noch das Gold." Seitdem in seiner Provinz das Edelmetall gefunden wurde, gäbe es einen regelrechten Goldrausch, der für viel Streit sorge.

Wie nur ist es zu dem Schlamassel gekommen? "George Clooney ist schuld", schreibt die englischsprachige Zeitung "Sudan Vision". Zwar gibt sich das Medium als "Independent Daily" (Unabhängige Tageszeitung) aus, tatsächlich aber steht der sudanesische Geheimdienst als Geldgeber dahinter. Die Zeitung ist ein Sprachrohr der Regierung. Der berühmte amerikanische Schauspieler, so behauptet das Blatt, habe den Zerfall Sudans zu verantworten. Durch sein Engagement im Südsudan und in der Region Darfur seien die Konflikte verschärft und noch blutiger geworden. Die Abspaltung des Südens sei die Folge gewesen. Zu einer Loslösung Darfurs vom Rest des Landes dürfe es nicht auch noch kommen. Viele Menschen im Westen kennen Darfur tatsächlich nur durch das Engagement von Clooney. Er sammelte Geld für die vielen Flüchtlinge, deckte Menschenrechtsverletzungen auf, forderte die US-Regierung und die Uno auf, dort einzugreifen. Zweifelsohne zählt der Konflikt in Darfur im Westen Sudans zu den größten humanitären Krisen weltweit. Aber wie hilfreich das internationale Eingreifen war, das ist umstritten.

Auf dem Markt im Flüchtlingslager Abu Al Shouk verkauft Itti gekühlten Zitronensaft. 50 000 Menschen leben in dem Camp, das die sudanesische Regierung gerne vorzeigt. Acht bis zehn Liter Wasser bekommt jeder Bewohner am Tag, die Gesundheitsversorgung ist kostenlos, 16 000 Kinder gehen in die Schule. Es gebe keine Seuchen, keine Epidemien, keine Kriminalität, behauptet der Direktor des Lagers, Ibrahim al Khalil. Nur Arbeit gibt es nicht, weder in Abu Al Shouk noch in einem anderen der unzähligen Flüchtlingslager. Nach Angaben der Uno leben von den 2,7 Millionen Vertriebenen 1,9 Millionen in Camps. Zudem sind seit Beginn der Kämpfe rund 290 000 Menschen in das Nachbarland Tschad geflüchtet, etwa 50 000 weitere in die Zentralafrikanische Republik.

Itti wohnt eigentlich in Al Fascher, verdient sein Geld aber auf dem Markt im Lager. Der 26 jährige Sudanese hat einen Hochschulabschluss als Lehrer, bekommt aber keinen Job. Leise und hinter vorgehaltener Hand sagt er: "Junge Leute haben hier keine Chance und schließen sich oft den Rebellen an, weil die bezahlen." Er selbst habe entschieden, sich aus den politischen Konflikten rauszuhalten. Wie lange er sich das noch leisten kann, weiß Itti nicht.

(RP)
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