Quito Der tödliche Kampf um Ecuadors Regenwald

Quito · Umweltschützer werden ermordet, Kritiker mundtot gemacht und ausländische Beobachter bedrängt - wegen eines Ölförder-Projekts.

Zur UN-Klimakonferenz, die in der ersten Dezemberhälfte in Perus Hauptstadt Lima tagte, hat es Jose Isidro Tendetza nicht mehr geschafft. Kurz vor Beginn des Gipfels wurde die Leiche des Umweltaktivisten in Ecuador gefunden. Nach Angaben seiner Freunde wies sein Körper Folterspuren auf, die Knochen waren gebrochen, offenbar war Tendetza brutal geschlagen worden. Wer hinter diesem Mord steckt, ist unklar. Die Familie des ermordeten Umweltaktivisten, der in Lima über die Gefährdung des ecuadorianischen Regenwaldes berichten wollte, traut den Behörden jedenfalls nicht mehr über den Weg. Die hatten Tendetzas Leichnam ohne gerichtsmedizinische Untersuchung rasch verscharren lassen.

Tendetza zählte zu den Gegnern eines milliardenschweren ecuadorianisch-chinesischen Erdölprojekts im Nationalpark Yasuni. Und die Gegner dieses lukrativen Vorhabens leben in dem südamerikanischen Land gefährlich. Aktivisten, die Unterschriften für eine Volksbefragung gesammelt hatten, bekamen die juristische und politische Macht der Regierung mit voller Wucht zu spüren. Ein Gericht entschied, dass die Volksbefragung trotz einer ausreichenden Anzahl an Unterschriften wegen Formfehlern nicht zulässig sei. Die Regierung überzieht die Gegner des Ölprojekts außerdem mit Klagen und hat teure Werbeagenturen engagiert, um im Volk Stimmung für das umstrittene Vorhaben zu machen. Es ist ein ungleicher Kampf.

Auch mögliche Kritik aus dem Ausland wird im Keim erstickt. So wurde einer deutschen Parlamentariergruppe unlängst die Reise nach Quito verweigert. Begründung: Der Besuch sei nicht über staatliche Stellen geplant worden, und er sei auch nicht angemessen koordiniert gewesen. Was wohl bedeutet, dass die Regierung von Ecuador die Gesprächspartner von Bärbel Höhn (Grüne) und ihren Kollegen aus dem Bundestag selbst aussuchen wollte. Auch die Teilnehmer einer "Klima-Karawane", die durch zahlreiche Länder Lateinamerikas bis zum Klimagipfel nach Lima reisten, traf der Bann. Von Honduras bis Kolumbien fand die bunte Truppe freundliche Aufnahme. Nur in Ecuador nicht. In Guayaquil beschlagnahmte der Zoll ihr rollendes Heim, die Personaldaten der Aktivisten wurden aufgenommen. Grüne Ideen sind in Ecuador verdächtig.

Dabei galt Ecuadors Präsident Rafael Correa vor gar nicht allzu langer Zeit noch als Liebling von Umweltschützern und sozialen Bewegungen. Lange zog der eigenwillige Sozialist durch die Welt, um seine Vision von einem umweltfreundlichen Ecuador zu verkaufen. Seine große Idee war die Schaffung eines Klimafonds, in den Ecuador und der Rest der Welt einzahlen sollten. Im Gegenzug würde das Land auf die Förderung von Erdöl verzichten und dadurch Zerstörungen im Nationalpark Yasuni vermeiden. Ein origineller Vorschlag. Doch der Rest der Welt hatte auf dem Höhepunkt der Finanzkrise ebenso wenig Geld wie Vertrauen in die ungewöhnliche Idee.

Denn längst war ruchbar geworden, dass Ecuador längst auch mit dem rohstoffhungrigen China wegen einer Ausbeutung seiner Ölreserven verhandelte. Fernando Villavicencio, der die Geheimverhandlungen mit China aufdeckte, musste das Land verlassen. Seine Familie wird seitdem von Mitarbeitern der ecuadorianischen Sicherheitskräfte bedrängt, die nach Medienberichten auch nicht davor zurückschrecken, Villavicencios Kinder auf dem Schulweg abzufangen. Dabei hat Villavicencio nur dasselbe getan wie der in der ecuadorianischen Botschaft in London ausharrende Whistleblower Julian Assange. Bedeutsamer Unterschied: Villavicencio spielte Dokumente an die Öffentlichkeit, die Ecuador in Erklärungsnot brachten und nicht den politischen Erzfeind USA.

Seitdem wird gegen Villavicencio "wegen der Herausgabe von Dokumenten, die auf unzulässige Weise in seinen Besitz kamen, ermittelt", teilt die ecuadorianischen Botschaft mit. So ähnlich könnte auch eine Anklage der USA gegen Assange lauten. Villavicencio muss sich außerdem wegen Präsidentenbeleidigung verantworten. Die Anklage fußt auf einem Gummiparagrafen, mit dem in Ecuador Umweltaktivisten und Kritiker des Präsidenten gerne mundtot gemacht werden.

Der Klimafonds zum Schutz des Nationalparks Yasuni ist mittlerweile gescheitert. Nun soll nach dem Willen der Regierung das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) helfen, das Schutzgebiet per Satellit zu überwachen. "Die Anfrage beinhaltet ein mittel- bis langfristiges Waldmonitoring, das dem besseren Schutz des Nationalparks angesichts der von der ecuadorianischen Regierung geplanten Ölförderung dienen soll", erklärte das DLR. Kritiker glauben, Deutschland solle auf diese Weise nur helfen, dem Ölprojekt einen ökologischen Anstrich zu verpassen.

Ob das DLR überhaupt noch zum Einsatz kommen kann, nachdem die ecuadorianische Regierung deutschen Parlamentariern den Zugang zu oppositionellen Umweltaktivisten verweigert hat, ist freilich offen. Die ausgesperrten Abgeordneten hatten die Bundesregierung bereits zur Prüfung von Konsequenzen aufgefordert - immerhin finanziert Deutschland zahlreiche Umweltprojekte in Ecuador. Die Reaktion des Präsidenten fiel harsch aus. "Der Kolonialismus ist vorbei", polterte Correa. "Wir geben Ihnen Ihr Geld zurück, wir zahlen Ihnen sogar das Doppelte!"

Um vom Streit um den Yasuni-Park abzulenken, hat die ecuadorianische Regierung einen Sündenbock auserkoren, den US-Konzern Chevron. Während im eigenen Land Umweltschützer massiv bedrängt werden, ruft Ecuador auf internationalem Parkett zu Solidaritätsaktionen gegen den Öl-Multi auf. Der sei für verheerende Umweltschäden im ecuadorianischen Regenwald verantwortlich und weigere sich, Entschädigungen zu zahlen.

Immer dann, wenn in Ecuador Umweltschützer zu Aktionen gegen die eigene Regierung aufrufen, aktiviert Ecuador seine Netzwerke sozialistischer Lobbygruppen in aller Welt, die dann ihrerseits zu Protesten gegen Chevron aufrufen. Auch in Deutschland ist eine solche Gruppe aktiv. EcuaSoli, das Komitee für Solidarität mit Ecuador, unterhält enge Beziehungen zur ecuadorianischen Botschaft und hat in der Vergangenheit immer dann zu Anti-Chevron-Protesten aufgerufen, wenn in Ecuador Umweltschützer um internationale Unterstützung baten. So gelangt der lokale Protest kaum über die Landesgrenzen hinaus, und die milliardenschwere Ölförderung im Regenwald kann ungestört vorangetrieben werden.

(RP)
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