Analyse Der Ukraine-Konflikt gefährdet die Trendwende in der Euro-Krise

Washington · Europa ist auf dem besten Weg, die tiefste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten hinter sich zu lassen. Doch die Situation nach der Schuldenkrise bleibt instabil.

Klaus Regling, der Chef des europäischen Rettungsfonds ESM, ist froh, bei der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) als europäischer Krisenmanager nicht mehr im Zentrum der besorgten Weltöffentlichkeit zu stehen. Er könne jetzt endlich unbesorgter seinen Jahresurlaub nehmen, sagte Regling am Rande der Tagung in Washington.

Auch die Vertreter des IWF, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) oder der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, malten ein positives Bild von Europa. "Wir Europäer haben die Krise hinter uns", frohlockte Schäuble. Draghi sprach von einem "stabilen, aber langsamen Wachstumspfad" in Europa. Spätestens seit Griechenland vor einer Woche seine erste Staatsanleihe erfolgreich am Kapitalmarkt platzieren konnte, seien in aller Welt die letzten Zweifel an dieser "Zeitenwende" in Europa gewichen, sähen die Anleger die Euro-Zone plötzlich wieder durch die "rosarote Brille", sagte ein Kenner der Märkte in Washington.

Die griechische Anleihe wurde zu 90 Prozent von Ausländern gezeichnet, hieß es in Washington – ein Zeichen für die Rückkehr des Vertrauens in die Euro-Zone. In Washington wurde zudem immer wieder ein Bericht der Industrieländerorganisation OECD zitiert. Darin lobt die OECD die fünf Krisenländer Irland, Portugal, Spanien, Griechenland und Zypern, die vom Euro-Rettungsschirm EFSF gestützt werden mussten. Dank der Reformen, die sie im Gegenzug für Hilfsgelder umsetzen müssen, seien diese fünf Länder heute diejenigen, deren Wettbewerbsfähigkeit am schnellsten zunehme, meint darin die OECD. Einige glauben, die fünf Länder hätten das Zeug, die neuen "Tigerstaaten" Europas mit besonders hohen Wachstumsraten zu werden.

Schäuble wurde zwar nicht müde, vor Übertreibungen zu warnen. Die Europäer dürften jetzt nicht selbstzufrieden werden, mahnte auch EZB-Chef Draghi. Vor allem Frankreich macht den europäischen Krisenmanagern Sorgen, weil dessen Wettbewerbsschwäche zu denken gibt. Frankreich kann erkennbar mit der deutschen Konjunkturlokomotive nicht Schritt halten. Doch das Problem sei immerhin erkannt, hieß es in Washington. Man sei zuversichtlich, dass die französische Regierung das Ruder jetzt herumreiße und Strukturreformen ähnlich der Reformagenda von Gerhard Schröder 2003 auf den Weg bringe.

Also Ende gut, alles gut in Europa? Beinahe wäre es so, wäre da nicht ein neues Problem – die massive Zuspitzung des Konflikts mit Russland um die Ukraine. Die Ukraine-Krise überschattete die IWF-Tagung, jeder war sich in Washington darüber bewusst, dass eine Eskalation dieses Konflikts auch die Weltkonjunktur eintrüben könnte.

Doch vor allem Europa, das gerade erst zu seinem wackeligen Wiederaufstieg ansetzt, ist davon betroffen. Europa sei mit Russland wirtschaftlich eng verflochten, warnte EZB-Chef Draghi. Schon jetzt schlage die Ukraine-Krise in Russland negativ zu Buche, die russische Wachstumsrate sei gesunken. Schon die Verschlechterung der Wirtschaftslage in Russland habe unmittelbare Rückwirkungen auf die Konjunktur in Europa.

Vor allem aber würde die ohnehin noch fragile Wirtschaftslage in vielen bisherigen europäischen Krisenländern durch die mögliche deutliche Erhöhung der Energiepreise gefährdet. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte in seinem Brief an 18 Regierungschefs bereits gedroht, die Gaszufuhr nach Europa zu drosseln, wenn die Ukraine ihre Gasrechnungen nicht bezahlt. Genau das hatte die Regierung in Kiew wenig später aber angekündigt.

(mar)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort