Berlin Deutsch-türkisches Krisentreffen

Berlin · Hart, aber freundlich: So beschreibt Bundesaußenminister Sigmar Gabriel das Gespräch mit seinem türkischen Kollegen Çavusoglu.

75 Minuten dauerte das Frühstück im Hotel Adlon. Dann hatten sich Sigmar Gabriel und Mevlüt Çavusoglu über die wichtigsten Konfliktthemen zwischen Deutschland und der Türkei ausgesprochen: Der deutsche Außenminister sprach die Inhaftierung des Journalisten Deniz Yücel und die jüngsten Nazi-Vergleiche an, sein türkischer Amtskollege die türkischen Wahlkampfauftritte auf deutschem Boden im Vorfeld des Verfassungsreferendums. Am Abend sagte der türkische Tourismusminister Nabi Avci einen Wahlkampfauftritt in Berlin-Kreuzberg ab.

Gabriel erwähnte den Namen anschließend nicht, doch Çavusoglu sagte, worum es ihm vor allem ging: Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan will nach Deutschland kommen, um die 1,4 Millionen stimmberechtigten Türken direkt anzusprechen.

Gabriel machte seinem Kollegen dem Vernehmen nach nachdrücklich klar, dass die Türkei ihre Probleme nicht nach Deutschland tragen darf. Und er zog auch eine rote Linie: Wenn die Nazi-Vergleiche nicht aufhören, werde Deutschland auch seine Bereitschaft überdenken, Wahlkampfauftritte zuzulassen. Die Regeln von Gesetz und Anstand müssten eingehalten werden. Klartext auch zum Fall Yücel: Die Türkei könne eine Normalisierung der deutschen-türkischen Beziehungen nicht erwarten, solange der Journalist eingesperrt sei. Zunächst gehe es darum, die konsularische Betreuung aufnehmen zu können. Daran werde gearbeitet, sagte Çavusoglu. Zu den Nazi-Vergleichen hielt Gabriel vor der Presse fest: "Es gibt Grenzen, die man nicht überschreiten darf."

Çavusoglu fuhr anschließend vom Hotel Adlon zur internationalen Tourismusbörse, wo er zunächst wieder scharfe Töne anstimmte. Er sprach von Feindseligkeiten deutscher Politiker und Medien, kritisierte eine "Tendenz zur Islamfeindlichkeit". Dass die aktuellen Praktiken denen der Nazi-Zeit ähnelten, diese Äußerung vom Vortag wiederholte er nicht mehr. Vielmehr appellierte er: "Wir sollten unser feindseliges Verhalten beenden."

Die Außenpolitiker der Koalition begrüßten das Treffen, warnten aber vor zu großen Erwartungen. "Ob es in der Folge zu einer Beruhigung der Lage kommen kann, wird nun vom Verhalten der türkischen Regierung abhängen, die mit ihren bodenlosen Vorwürfen für diese Eskalation die Verantwortung trägt", erklärte SPD-Außenexperte Niels Annen. Nach Meinung der Union muss "auch eine weitere Belastung des deutsch-türkischen Verhältnisses in Kauf genommen" werden. "Mittel- und langfristig würde es uns auf die Füße fallen, wenn wir jetzt den Mantel des Schweigens über die offensichtlichen Fehlentwicklungen in der Türkei decken", sagte Unionsaußenexperte Jürgen Hardt unserer Redaktion.

Die Teilnahme am türkischen Referendum am 16. April soll nach einem Wunsch der Türkei in einer ganzen Reihe von deutschen Städten möglich sein. Wie unsere Redaktion aus dem NRW-Innenministerium erfuhr, könnte die Stimmabgabe in den Generalkonsulaten in Düsseldorf, Köln und Münster sowie in einer türkischen Bildungseinrichtung in Dortmund erfolgen.

(may- / qua)
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