Debatte neu entzündet Deutsche Daten für US-Drohnen-Attacken?

Berlin · Amnesty International prangert die Weitergabe von Handynummern Terrorverdächtiger an, die dann getötet wurden.

Ein anklagender Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat die Debatte über bewaffnete Drohnen neu entzündet und mögliche deutsche Unterstützungen für fragwürdige Tötungsmissionen der US-Streitkräfte in den Blick gerückt. Nach einer Untersuchung aller 45 Drohnenangriffe auf Ziele im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet von Nord-Wasiristan zeigten sich Amnesty-Mitarbeiter enttäuscht von US-Präsident Barack Obama. Der sei seinen eigenen Ankündigungen vom Mai nicht gefolgt, klare Regeln und auch das Völkerrecht einzuhalten.

"Mit dem strikt geheim gehaltenen Drohnenprogramm geben sich die USA eine Lizenz zum Töten, die menschenrechtliche Standards und das Völkerrecht vollkommen ignoriert", sagt die Asienexpertin Verena Harpe von der deutschen Sektion von Amnesty. Die Bundesregierung verlasse sich auf die Auskunft der USA, wonach das Völkerrecht eingehalten werde. "Sie lieferte der CIA sogar Daten wie Handynummern von späteren Drohnen-Opfern", kritisiert Amnesty.

Das Weiße Haus verteidigte die Aktionen als "präzise, rechtmäßig und effektiv". Weder die Bundesregierung noch der Bundesnachrichtendienst (BND) wollten zu den Vorwürfen gestern Stellung nehmen. Im Sommer hatte der BND jedoch bereits eingeräumt, "seit etwa 2003/2004" Mobilfunknummern terrorverdächtiger Personen an ausländische Geheimdienste weiterzuleiten. Im August hatte der deutsche Auslandsgeheimdienst mit diesem Eingeständnis auf Medienberichte reagiert, wonach Mitarbeiter die Datenweitergabe mit Hinweis auf mögliche Ortungsmöglichkeiten für US-Drohnenangriffe stoppen wollten, BND-Chef Gerhard Schindler sich aber über Bedenken hinweggesetzt habe. Er habe nur "Unklarheiten ausgeräumt", die bestehende Praxis aber nicht geändert, erläuterte der BND. Das Bundeskriminalamt dagegen reichte dem Vernehmen nach bereits seit geraumer Zeit keine Daten mehr weiter.

Laut BND sind die sogenannten GSM-Mobilfunkdaten für eine "konkrete Zielerfassung zu ungenau". Dagegen verweisen Informatik-Experten darauf, dass über einen längeren Zeitraum verfolgte Daten durchaus nützlich seien, um bestimmte Personen zu orten.

Auch zwei deutsche Staatsbürger sind Drohnen-Angriffen in Pakistan zum Opfer gefallen. Im Oktober 2010 starb Bünyamin E. aus Wuppertal. Dieser Fall löste Ermittlungen der Bundesanwaltschaft aus. Im März 2012 traf eine von einer US-Drohne abgefeuerte Rakete einen Kleintransporter, in dem sich unter anderem Samir H. aus Aachen befand. Seine Schwester und eine Terrororganisation bestätigten Monate später den Tod des "Märtyrers", der als "Abu Laith der Deutsche" in den "heiligen Krieg" um die Errichtung eines islamistischen Staates in Pakistan gezogen war.

Der jüngste Amnesty-Bericht beschreibt, dass die Bevölkerung Wasiristans in ständiger Angst vor Drohnen lebe. Im Oktober 2012 sei eine 68-jährige Frau vor den Augen ihrer Enkel getötet worden, mit denen sie auf einem Feld gearbeitet habe. Die Kinder seien bei einem zweiten Schlag schwer verletzt worden. Im Juli 2012 habe eine US-Drohne 18 Männer getroffen, die sich nach ihrem Arbeitstag zum Abendessen zusammengesetzt hätten. Sie seien in den anschließenden offiziellen Berichten als "militante Kämpfer" bezeichnet worden, nach Erkenntnissen von Amnesty International aber einfache Dorfbewohner gewesen, die keinerlei Bedrohung dargestellt hätten.

Weil die US-Regierung keine Verantwortung für bestimmte Angriffe übernehme, könnten Opfer und Hinterbliebene auch nicht zu ihrem Recht kommen, kritisiert Amnesty. Besonders perfide sei die Praxis, einem ersten Drohnenangriff kurze Zeit später einen zweiten folgen zu lassen — der dann diejenigen Menschen treffe, die sich um die Verletzten kümmerten.

(may-)
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