Führungszentrale Nationale Luftverteidigung einsatzbereit Deutschland für Terror-Fall "Renegade" gerüstet

Decimomannu/Italien (rpo). Sollte Deutschland von Terroristen aus der Luft angegriffen werden - im NATO-Jargon als Fall "Renegade" bezeichnet -, wäre die Bundeswehr bereits jetzt dafür militärisch und in Kürze auch juristisch gerüstet. Im äußersten Notfall dürften Kampfjets ein als Waffe eingesetztes, voll besetztes Passagierflugzeug abschießen.

<P>Decimomannu/Italien (rpo). Sollte Deutschland von Terroristen aus der Luft angegriffen werden - im NATO-Jargon als Fall "Renegade" bezeichnet -, wäre die Bundeswehr bereits jetzt dafür militärisch und in Kürze auch juristisch gerüstet. Im äußersten Notfall dürften Kampfjets ein als Waffe eingesetztes, voll besetztes Passagierflugzeug abschießen.

Wie Luftwaffen-Inspekteur Gerhard Back vor Journalisten auf dem Militärflugplatz Decimomannu auf Sardinien berichtete, ist eine dazu eigens in Kalkar am Niederrhein eingerichtete "Führungszentrale Nationale Luftverteidigung" schon seit 1. Juli arbeitsfähig. Das geplante Luftsicherheitsgesetz mit den erforderlichen Rechtsgrundlagen befinde sich in der Schlussabstimmung zwischen den beteiligten Ministerien.

Laut Back würden bei Verdacht auf ein mit Terroristen besetztes Flugzeug - in der NATO als Fall "Renegade" behandelt - sofort vier Phantom-Abfangjäger der Luftwaffe aufsteigen. Dabei handelt es sich nach Angaben des Generalleutnants um zwei so genannte Alarmrotten zu je zwei Maschinen, die in Neuburg an der Donau sowie im friesischen Wittmund 365 Tage im Jahr in 24-Stunden-Alarmbereitschaft stehen und binnen 15 Minuten in der Luft sein können. Die Militärjets hätten die Aufgabe, das verdächtige Flugzeug zu identifizieren, zu warnen, abzudrängen, zur Landung zu zwingen oder als letztes Mittel abzuschießen. Alle diese Aktionen gehörten für die Kampfpiloten zum militärischen Übungsalltag.

Vorgesehen ist nach Angaben Backs, dass der Befehl zum Abschuss vom Bundesverteidigungsminister als dem Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt in Friedenszeiten gegeben werden muss. "Ich kann den Befehl, auf ein Zivilflugzeug zu schießen, nicht geben", betonte Back. Diese Entscheidung müsse von der politischen, nicht von der militärischen Führung getroffen werden.

Flugplätze für erzwungene Landungen von Terror-Fliegern müssen nach Angaben von Back bestimmte Kriterien erfüllen. Militärflughäfen kämen nicht in Frage unter anderem wegen der speziellen Anflugverfahren. Vorgeschlagen worden seien den Bundesländern Hannover, Leipzig, Hahn, Köln/Bonn und München, eine Entscheidung stehe noch aus.

Nach Angaben des Luftwaffeninspekteurs besteht in der NATO Übereinstimmung, dass "Renegade"-Fälle in nationaler Verantwortung außerhalb der Befehlsstrukturen des Bündnisses behandelt werden. Die Führungszentrale in Kalkar werde von einem Oberst der Bundeswehr geleitet. Vertreten sei dort außer dem Verteidigungs- auch das Bundesinnenministerium, das Verkehrsministerium sei zur Beteiligung eingeladen. Auch die beiden normalerweise der NATO zugeordneten Alarmrotten würden dann unter rein deutscher Verantwortung eingesetzt.

Back hatte an Mittwoch das Taktische Ausbildungskommando der Luftwaffe auf dem auch von Deutschland zu Trainingszwecken genutzten italienischen Militärflughafen Decimomannu besucht. Deutsche Piloten trainieren dort unter anderem den Luftkampf.

"In der Minute danach wäre ich zurückgetreten"

Die Arbeiten an dem deutschen "Renegade"-Konzept haben nach Angaben Backs bereits lange vor dem 5. Januar 2003 begonnen, als ein geistesgestörter Sportflieger gedroht hatte, sich mit seiner Maschine auf das Gebäude der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main zu stürzen. Damals hatte Back bereits zwei Phantom-Jäger aufsteigen lassen, die aber letztlich nicht einzugreifen brauchten.

Verteidigungsminister Peter Struck machte erst jetzt in einem Interview deutlich, dass er mit einem Befehl zum Abschuss erhebliche Probleme gehabt hätte. Das Hamburger Magazin "Stern" frage den SPD-Politiker, ob er den Befehl gegeben hätte, und zitiert in seiner neuesten Ausgabe die Antwort: "Wenn es notwendig gewesen wäre, ganz bestimmt. Und in der Minute danach wäre ich zurückgetreten."

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