70 Jahre Kriegsende Kanzlerin Merkel: Unter Geschichte gibt es keinen Schlussstrich

Berlin · Kurz vor dem 70. Jahrestag des Kriegsendes hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) davor gewarnt, einen "Schlussstrich" ziehen zu wollen. Unter Geschichte gebe es keinen Schlussstrich, sagte Merkel in ihrem am Samstag veröffentlichten neuen Video-Podcast.

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Foto: dpa, Patrick Seeger

"Wir Deutschen haben hier schon eine besondere Verantwortung, aufmerksam, sensibel und auch kundig mit dem umzugehen, was wir in der Zeit des Nationalsozialismus angerichtet haben." Das gelte auch mit Blick auf lang andauernde Verletzungen und Sorgen in anderen Ländern. "Ich habe da volles Verständnis", sagte sie.

Merkel betonte, es werde für sie "ein sehr wichtiger Moment sein", wenn sie am 10. Mai nach Russland fahre. "Wir haben mit Russland im Augenblick sehr tiefgehende unterschiedliche Meinungen - gerade auch über die Fragen dessen, was in der Ukraine abläuft", sagte die Kanzlerin. "Und trotzdem ist es mir wichtig, am 10. Mai dort gemeinsam mit dem russischen Präsidenten einen Kranz am Mahnmal des unbekannten Soldaten niederzulegen, um der Millionen Toten zu gedenken, die Deutschland aus dem Zweiten Weltkrieg heraus zu verantworten hat."

Düsseldorf im Mai 1945 und heute
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Die Forderung "Nie wieder!" sei 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs keineswegs zu einer Floskel geworden, sagte Merkel weiter. Es müsse aber immer gefragt werden: "Was steckt dahinter?" Die Forderung bedeute einerseits, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen - "mit der Geschichte des Nationalsozialismus, mit der Geschichte der Konzentrationslager, mit der Geschichte der Verfolgung von Minderheiten, Andersdenkenden und mit der Geschichte des Holocaust". Andererseits bedeute "Nie wieder!" auch, darauf aufzupassen, "dass unsere Ideale, unsere Wertvorstellungen auch wirklich gelebt werden".

Merkel sagte, es sei eine Schande, dass vor jeder jüdischen Einrichtung in Deutschland Polizisten stehen müssten, um sie zu bewachen. "Es ist nicht in Ordnung, dass anders denkende oder anders aussehende Menschen oft auch Rassismus und Extremismus ausgesetzt sind." Hier heiße "Nie wieder!": "Wehret den Anfängen, seid aufmerksam." Das gelte für die Politik wie für jeden Einzelnen. Und glücklicherweise gebe es sehr viele Beispiele, "wo Menschen dagegen aufstehen - gerade auch junge Menschen".

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Gedenktage seien notwendig, betonte die Kanzlerin. Sie verhinderten, dass die Beschäftigung mit der Geschichte immer wieder verschoben werde, weil sich gerade scheinbar Anderes in den Vordergrund dränge. Gedenktage allein reichten aber nicht, betonte sie. Notwendig sei ein "Grundwissen" über die Zusammenhänge, das in Schule und Gesellschaft verbreitet werden müsse. Schulbildung, kontinuierliche Möglichkeiten zur Weiterbildung und das Begehen von Gedenktagen gehörten unauflöslich zusammen.

Merkel rief auch Menschen mit Migrationshintergrund auf, sich mit der deutschen Geschichte zu beschäftigen. Integration bedeute "natürlich auch, Teilhabe an der Vergangenheit einer Gesellschaft, zu der ich heute gehöre".

(AFP)
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