Abgeordnetenhauswahl in Berlin SPD kleinster Wahlsieger aller Zeiten, CDU mit großen Verlusten

Berlin · Die Hauptstadt kann nur noch von einem Bündnis aus drei Parteien regiert werden. Rot-Schwarz ist am Ende, das schlechte Abschneiden beider Parteien alarmiert viele. Die Sozialdemokraten bleiben dennoch im Roten Rathaus.

Abgeordnetenhauswahl 2016: Die Reaktionen der Parteien in Berlin
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Die Reaktionen der Berliner Parteien

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Bei der Abgeordnetenhauswahl in Berlin haben die bisherigen Regierungspartner SPD und CDU historisch schlecht abgeschnitten und können ihre Koalition nicht fortsetzen. Beide früheren Volksparteien kamen mit 21,6 und 17,6 Prozent auf ihr schlechtestes Nachkriegsergebnis und verloren zusammen gut zwölf Prozentpunkte. Die SPD kann aber weiter regieren. Dafür muss sie sich zwei Partner suchen — Zweierbündnisse haben in der Hauptstadt keine Mehrheit mehr.

Linke und Grüne lagen nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis fast gleichauf: Die Linken kamen auf 15,6 Prozent und legten kräftig zu, die Grünen blieben mit 15,2 Prozent unter ihrem Rekordergebnis von 2011. Beide Parteien stehen für ein Bündnis mit der SPD bereit. Ein Jahr vor der Bundestagswahl setzte die AfD ihren Höhenflug fort und kam auf 14,2 Prozent. Die FDP kehrt nach dem Aus 2011 mit 6,2 Prozent ins Parlament zurück. Erwartungsgemäß flogen die Piraten mit 1,7 Prozent raus.

Für die CDU von Kanzlerin Angela Merkel, deren Flüchtlingspolitik auch in der Union selbst umstritten ist, markiert der Sonntag die Fortsetzung einer Negativ-Serie: Bei allen Landtagswahlen in diesem Jahr verlor die Partei Stimmen. Die SPD, die im Bund mit CDU/CSU regiert, sackte in Berlin allerdings noch stärker ab als die Union. Noch nie in Deutschland hatte ein Sieger bei Landtagswahlen ein so mageres Ergebnis. Die AfD ist nun in 10 von 16 Landesparlamenten vertreten.

Die Sitzverteilung im neuen Parlament sähe so aus: SPD 38 Sitze, CDU 31, Linke 27, Grüne 27, AfD 25, FDP 12 Sitze. Mit 66,7 Prozent gab es eine höhere Wahlbeteiligung als 2011 (60,2 Prozent).

SPD: Müller, dessen Partei seit 15 Jahren den Regierungschef im Roten Rathaus stellt, kündigte am Abend Sondierungsgespräche mit allen Parteien außer der AfD an. Er ließ am Abend aber offen, welche Koalition er bevorzugt — betonte allerdings Gemeinsamkeiten mit den Grünen. Vor der Wahl hatte er ein Bündnis mit Grünen und Linken in den Blick genommen. SPD-Chef Sigmar Gabriel betonte: "Berlin bleibt sozial und menschlich anständig."

CDU: CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel lehnte einen Rücktritt am Abend ab und sprach von einem Denkzettel. Seine Partei stehe für Sondierungsgespräche zur Regierungsbildung bereit.

Grüne: Grünen-Chef Cem Özdemir sieht einen Regierungsauftrag für seine Partei. "Die Leute wollen eine seriöse Regierung, wir können das." Die Grünen könnten erstmals seit 2002 wieder in die Regierung kommen.

Linke: Linken-Vorsitzende Katja Kipping wertete das Abschneiden ihrer Partei als großartiges Signal. "Das macht Mut für linke Mehrheiten." In Berlin hatte die Partei bereits von 2002 bis 2011 als Juniorpartner mit der SPD zusammen regiert. Für FDP-Generalsekretärin Nicola Beer hat eine Regierungsbeteiligung der Liberalen in Berlin im Moment keine Priorität.

AfD: Die stellvertretende AfD-Parteivorsitzende Beatrix von Storch sagte, ihre Partei sei in der Hauptstadt angekommen und auch auf direktem Weg in den Bundestag. Mit der AFD will keine der anderen Parteien im neuen Abgeordnetenhaus zusammenarbeiten.

Die Berliner SPD verdankt ihren Wahlsieg nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen dem Regierungschef Müller und der Schwäche der CDU. Müller erreiche nach knapp zwei Jahren im Amt zwar nicht ganz die Beliebtheitswerte seines Vorgängers Klaus Wowereit, besitze aber die höchste Reputation aller Kandidaten. Weitere Faktoren für den Vorsprung der SPD seien deren lokales Parteiansehen, Kompetenzen gerade in sozialen Bereichen und eine indisponierte Berlin-CDU, die neben personellen und qualitativen Defiziten ein Imageproblem habe.

Bis zur Bundestagswahl im September 2017 gibt es mit den Wahlen im Saarland (26. März), in Schleswig-Holstein (7. Mai) und in Nordrhein-Westfalen (14. Mai) drei weitere politische Stimmungstests.

Parallel wurden die Kommunalparlamente in den zwölf Bezirken gewählt, die Bezirksverordnetenversammlungen (BVV). Es wird damit gerechnet, dass die AfD Stadtratsposten — und damit Verwaltungsmacht - bekommt.

Bei der Wahl 2011 in Berlin war die SPD mit 28,3 Prozent stärkste Partei geworden. Dahinter folgten CDU (23,3 Prozent), Grüne (17,6 Prozent), Linke (11,7 Prozent) und die Piraten (8,9 Prozent), die damals erstmals in ein Landesparlament einzogen. Die Sitzverteilung sah so aus: SPD 47, CDU 39, Grüne 29, Linke 19, Piraten 15.

(gol/AFP/dpa)
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