AfD-Attacke auf den Islam Eine Religion unter Verdacht

Düsseldorf · Wichtige AfD-Politiker sehen den Islam im Widerspruch zum Grundgesetz. Dieses Pauschalurteil entspricht nicht ansatzweise der Haltung der meisten Muslime in Deutschland. Und es ist ein Verstoß gegen die Religionsfreiheit. Eine Analyse.

 Muslime beten im Gebetsraum einer Moschee in Deutschland.

Muslime beten im Gebetsraum einer Moschee in Deutschland.

Foto: dpa, dna bwe cul

Jetzt haben AfD-Spitzenpolitiker die Katze aus dem Sack gelassen. "Der Islam ist eine politische Ideologie, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist", poltert die stellvertretende Parteivorsitzende und Europaabgeordnete Beatrix von Storch. Und ihr Gesinnungsgenosse Alexander Gauland legt nach: "Der Islam ist immer mit der Übernahme des Staates verbunden." Eine Meinung, die übrigens auch der ungarische Ministerpräsident Viktor Órban teilt, der heute Altbundeskanzler Helmut Kohl zum Plausch über Europas Zukunft trifft.

"Islamfeindliche Unterstellung"

Die Empörung ließ nicht lang auf sich warten. Manche Muslime wie der Vorsitzende des Zentralrats, Aiman Mazyek, sehen schon Parallelen zur Verfolgung der Juden im Dritten Reich. Andere wie die streitbare Religionspädagogin Lamya Kaddor sprechen von einer bewusst "islamfeindlichen Unterstellung". Damit fördere die AfD einen "intoleranten Islamismus auf der anderen Seite".

Tatsächlich greift die AfD geschickt Befindlichkeiten in der Mehrheitsbevölkerung auf. So glauben laut einer Umfrage des Allensbach-Instituts für Demoskopie zwei von drei Deutschen, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört. Darin spiegelt sich nach Auffassung der Meinungsforscher vor allem wider, dass die islamischen Kultur als fremd empfunden wird. Viele Einheimische mutmaßen auch, dass die große Mehrheit der Muslime in Deutschland ein gespaltenes Verhältnis zum Grundgesetz und zur Demokratie hat. Der Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung hat ergeben, dass 57 Prozent der Nicht-Muslime den Islam als gewalttätig, intolerant und repressiv wahrnehmen würden.

80 Prozent für die Demokratie

Aktuelle Umfragen widersprechen diesem Befund. Nach dem Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung befürworten mehr als 80 Prozent der sunnitischen Muslime in Deutschland die Demokratie. "Wir fühlen uns als ein Teil Deutschlands mit unserer Religion", bringt es Bekir Alboga, der Generalsekretär der einflussreichen türkisch-islamischen Organisation Ditib, auf den Punkt.Und die Theologin Kaddor sieht sogar eine Trendwende: "Immer mehr Muslime leben einen zeitgemäßen Islam. Die großen etablierten Verbände streben sogar kirchenähnliche Strukturen an. All das läuft auf eine aktive Teilhabe an unserer Demokratie hinaus. Und das ist die Zukunft." Die muslimische Deutsche mit syrischen Wurzeln hat den wenn auch noch kleinen Liberal-Islamischen Bund mitbegründet, der explizit "demokratischen Grundzüge mit dem Islam vereint".

Man muss allerdings zugeben, dass nicht alle, die sich intensiver mit dem Islam in Deutschland befassen, zu dieser positiven Einschätzung gelangen. So kommt der niederländische Soziologe Ruud Koopmans, der am Wissenschaftszentrum in Berlin arbeitet, zum Ergebnis, dass bei 44 Prozent der Muslime in Westeuropa, darunter auch Deutschland, fundamentalistische Auffassungen vorherrschen.

Darunter versteht der Wissenschaftler eine Haltung, die sowohl die Rückkehr zu religiösen Wurzeln, den Vorrang religiöser Gebote vor der staatlichen Rechtsordnung und eine verbindliche Auslegung des Korans befürwortet. Auch der muslimische Grünen-Chef Cem Özdemir beklagt, dass Islamverbände in Deutschland sich nicht von ihren Herkunftsländern wie der Türkei und Saudi-Arabien emanzipieren können, wo zunehmend ein "konservativer, in Teilen reaktionärer Islam propagiert wird. der auch vor Terror nicht zurückschreckt".

Das Bild des Islams in Deutschland in Bezug auf die Demokratie ist also alles andere als einheitlich. Der Kölner Kirchen- und Staatsrechtler Stefan Muckel hält es denn auch für "offenkundig Unsinn, dass der Islam mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist". Denn für Muckel gibt es nicht "den" Islam. Man müsse sich schon die Mühe machen, bei einzelnen Gruppierungen und Schattierungen genau nachzuschauen. Muckel: "Eine Religion ist nur dann verfassungswidrig, wenn ihre Mitglieder aggressiv gegen unsere Verfassung vorgehen. Das gilt keinesfalls für den Islam als Weltreligion. Es kann aber sein, dass einzelne genau umgrenzte Gruppen sich verfassungsfeindlich betätigen."

Körperschaft des öffentlichen Rechts

Für ein Verbot reiche es noch nicht einmal aus, wenn etwa Salafisten die verfassungsmäßige Ordnung ablehnen, aber nicht aktiv dagegen vorgehen. Artikel 4 des Grundgesetzes, der die Religions- und Gewissensfreiheit festschreibt, ist eine starke Norm. Es gebe allerdings, so Muckel, eine starke Einschränkung. Wenn eine Religionsgemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt sein und dafür eine religiös motivierte Steuer erheben will, muss sie sich einer härteren Prüfung auf Verfassungstauglichkeit stellen. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Urteil festgehalten, dass die Propagierung einer theokratischen Ordnung, also eines Gottesstaates, eine solche Anerkennung ausschließt.

Der wehrhafte Staat kann sich also durchaus gegen totalitäre Ansätze in Religionsgemeinschaften schützen, ohne eine ganze Religion unter Verdacht zu stellen, wie sich es Teile der AfD offenbar wünschen. Auch ihre daraus abgeleiteten Forderungen nach Verbot von Minaretten oder des Rufs des Muezzins sind nach Ansicht von Rechtsprofessor Muckel klar verfassungswidrig. "Die Religionsfreiheit garantiert diese Einrichtungen." Selbst die umstrittene Vollverschleierung, so Muckel, sei zulässig. "Ein Verbot ist nur im Schulunterricht und bei Behördengängen angebracht."

Das forsche Auftreten der beiden AfD-Vize Gauland und von Storch ist wohl auch noch nicht das letzte Wort vor dem Parteitag der Rechtspopulisten nächste Woche in Stuttgart. Der Landesvorsitzende der AfD in Rheinland-Pfalz, Uwe Junge, meint im "Deutschlandfunk", die Äußerungen würden sich nicht in dieser Form im Parteiprogramm wiederfinden.

(kes)
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