Neue Protestpartei AfD hat schon fast 10.000 Mitglieder

Berlin · Sie wächst und wächst und wächst. Die "Alternative für Deutschland" kann zehn Tage nach ihrer Gründung bereits 9600 Mitglieder vorweisen. "Derzeit gewinnen wir jeden Tag zwischen 100 und 200 neue Mitglieder dazu", sagte Schatzmeister Norbert Stenzel unserer Redaktion.

Eindrücke von der "Alternative für Deutschland"
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Danach könnte noch in dieser Woche die 10.000er-Marke geknackt werden. Kein Wunder, dass sich nun auch Union und FDP intern heftige Gedanken machen und Analysen gestartet haben. Schließlich wächst auch die Befürchtung, dass die "Alternative für Deutschland" auf ein Deutschland ohne eine Kanzlerin Merkel hinauslaufen könnte.

Die FDP-Abteilung "Strategie, Dialog und Kampagnen" gelangte in ihrer Einschätzung zu dem Ergebnis, dass es vor allem auf die Union ankommt, wie gefährlich die AfD für Schwarz-Gelb wird. Ob sich die AfD etablieren könne, sei abhängig "auch von der Stärke der Union, die Etablierung einer neuen konservativen Partei in Deutschland zu unterbinden", heißt es auf Seite 12 einer FDP-Untersuchung. Diese Einschätzung teilt die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in einer von der CDU-Spitze angeregten Studie nicht.

Polarisierender Wettbewerb empfohlen

Die Adenauer-Stiftung beschreibt die AfD als weniger bedrohlich. Die AfD habe bislang geschickt von der "medialen Überschätzung" und von der "übertriebenen Wahrnehmung" als vermeintlich großer Gefahr für das bürgerliche Lager profitieren können. "Dies sollte die etablierten Parteien jedoch nicht dazu verleiten, die AfD gar als einen der Hauptgegner wahrzunehmen", heißt es bei der KAS.

Als geeignetes Rezept zur Auseinandersetzung mit der AfD empfiehlt die Studie einen polarisierenden Wettbewerb zwischen den politischen Konkurrenten CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen im Vorfeld der Bundestagswahlen. Dringender Rat der Studie: "Auf die simple Logik der AfD — alle Parteien auf der einen Seite, AfD auf der anderen Seite — sollte man sich in keinem Fall einlassen."

Nicht ganz einig sind sich die Demoskopen, wie groß das Stimmenpotenzial für die AfD ist. Mal sind es 17, mal 29 Prozent, die sich "vorstellen" können, die AfD zu wählen. Die KAS-Studie bemerkt dazu süffisant an, 2009 hätten sich auch 18 Prozent "vorstellen" können, Hape Kerkeling alias Horst Schlämmer zum Kanzler zu wählen. "Relevant" sei bislang eher das Ergebnis der von AfD-Chef Bernd Luckes "Wahlalternative 2013" bei der Niedersachsenwahl unterstützten Freien Wähler: "gerade mal 1,1 Prozent".

In der aktuellen Sonntagsfrage liegt die AfD nun bei zwei Prozent, den vor einem Jahr hoch gehandelten Piraten mit aktuell drei Prozent also dicht auf den Fersen. Die hatten allerdings Jahre gebraucht, um in die ersten Landtage einziehen zu können und als neu und anders und spannend zwischenzeitlich Umfragewerte von weit über zehn Prozent zugeschlagen zu bekommen. Nicht endende Personalquerelen und eine programmliche Ernüchterung hatten zu ihrem Stimmungsabsturz geführt.

"Die Altparteien sind verkrustet und verbraucht"

Den Fehler will die AfD offenbar vermeiden. Deshalb hat sie zwar mehr Basisbeteiligung ins Programm hineingeschrieben, dieses selbst aber vorsichtshalber gar nicht erst breit diskutieren lassen. Als Protest- und Antiparteien-Partei wie die Piraten versteht sich auch die AfD. "Die Altparteien sind verkrustet und verbraucht", heißt es im schönsten Piraten-Deutsch im Selbstverständnis der AfD. Aber es sind eher professorale Freibeuter, die der Mannschaft das Entern lieber von oben vorgeben. Und die zudem eher konservativ, wenn nicht sogar rechts-national gestrickt sind.

Neben ihrem Hauptthema "Schluss mit diesem Euro" wollen sie den "Schutz der Familie als Keimzelle der Gesellschaft". Mitglieder und Unterstützer publizieren in der "Jungen Freiheit", werden zuweilen auch als "deutsche Tea Party" bezeichnet, und auch die NPD bemüht sich bereits mit Umarmungsstrategien — einen ersten Parteiausschluss eines Nationaldemokraten hat die AfD auch schon hinter sich.

Interessante Verbindungen stellt die KAS-Studie zu potenziellen Großsponsoren her. Zu den Unterstützern der AfD gehöre Beatrix von Storch, die als rechts eingestufte Internetauftritte betreibe und die für verschiedene Initiativen von dem Mövenpick-Milliardär August von Finck großzügig unterstützt worden sei.

Da die Adresse einer von-Storch-Initiative mit der der PR-Abteilung von Mövenpick Germany identisch sei und eine andere Initiative von weiteren AfD-Unterstützern durch Finck mit über 13 Millionen Euro unterstützt worden sei, mutmaßen die CDU-nahen Wissenschaftler, "dass Finck den Wahlkampf der AfD nicht an finanziellen Hindernissen scheitern lassen wird".

Viele Symphatisanten bei der Linken

Das wäre in der Tat starker Tobak: Ausgerechnet einer der Hauptprofiteure der umstrittenen schwarz-gelben Hotelsteuersenkung würde als Dankeschön das Aus für Schwarz-Gelb mitfinanzieren. Denn für einzelne AfD-Anhänger gehört der Sturz von Angela Merkel zum Programm — was die Parteiführung vehement bestreitet. Und sie bestreitet auch eine Zusammenarbeit von AfD und Finck. "Keine Verbindung" gebe es zudem zwischen AfD und Storch. Deren Unterstützung sei lediglich "symbolischer" Natur. Deshalb sei auch die Spekulation über eine Mövenpick-Finanzierung der AfD "frei erfunden".

Wem aber kann die AfD gefährlich werden? Überdurchschnittlich viele AfD-Sympathisanten sind nach übereinstimmender Feststellung der Demoskopen bei den Anhängern der Linken zu finden: 29 Prozent. Bei den SPD-Anhängern sind es 21, bei den Unionsanhängern 19, bei den Grünen-Anhängern 14. Doch auch bei diesen Infratest-Daten liegt die Unsicherheit im Verhalten der Unentschlossenen. Von denen können sich immerhin 32 Prozent die AfD als ihre persönliche Alternative vorstellen.

Angela Merkels Neigung zur "asymmetrischen Demobilisierung" käme das entgegen. Dabei geht es darum, bei den Anderen mehr Wähler einzuschläfern als in der eigenen Klientel. Eine AfD, die mehr rot-rot-grüne als blau-gelbe Wähler aufsöge, würde dazu passen. Doch sollten die Euro-Gegner die Fünf-Prozent-Hürde überspringen, könnten die Karten am Abend des 22. September völlig neu gemischt werden müssen.

(-may)
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