Fremdenfeindlichkeit Die neue Rechte

Berlin · Im Protest gegen Flüchtlinge finden fremdenfeindliche Gruppierungen von AfD über Pegida bis zur NPD zueinander.

 Mehrere Tausend Pegida-Anhänger demonstrierten am Montag in Dresden auf dem Theaterplatz. Im Bildvordergrund ist die Wirmer-Flagge zu sehen. Einst als friedliches Demokratie-Symbol von NS-Widerstandskämpfer Josef Wirmer entworfen, verwendet Pegida sie nun für ihre Ideologien.

Mehrere Tausend Pegida-Anhänger demonstrierten am Montag in Dresden auf dem Theaterplatz. Im Bildvordergrund ist die Wirmer-Flagge zu sehen. Einst als friedliches Demokratie-Symbol von NS-Widerstandskämpfer Josef Wirmer entworfen, verwendet Pegida sie nun für ihre Ideologien.

Foto: dpa, bse tba

Sie können noch nicht einmal den Vornamen des Vizekanzlers korrekt schreiben, ihre Botschaft ist dennoch eindeutig. Pegida-Anhänger liefen am Montagabend mit einer Galgen-Attrappe durch Dresden. Reserviert war sie für "Siegmar (!) ,das Pack' Gabriel" und "Angela ,Mutti' Merkel".

Die verschärfte Tonlage fremdenfeindlicher Hetzer zeigt, dass sich die radikale Rechte in Deutschland stark fühlt. Immer häufiger integrieren sie auch bisher grundanständige Bürger in ihre Reihen. Mit dem Zustrom der Flüchtlinge nach Deutschland haben sich nicht nur eine Willkommenskultur und ein Netzwerk von Helfern entwickelt, auch die rechte Szene hat Zulauf. Die Behörden registrieren seit Wochen sprunghaft steigende Zahlen rechts motivierter Straftaten gegen Asylbewerberheime. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) wies in der vergangenen Woche darauf hin, dass zwei Drittel der Täter bisher "unbescholtene Bürger" seien.

 Galgen für Merkel und Gabriel: Die "Pegida"-Demo in Dresden.

Galgen für Merkel und Gabriel: Die "Pegida"-Demo in Dresden.

Foto: dpa, fux dna htf

In Deutschland formiert sich gerade eine fremdenfeindliche Allianz, die auch bürgerliche Kritiker der Flüchtlingspolitik der großen Koalition zu vereinnahmen versucht. Eine wichtige Achse ist die Verbindung zwischen der nationalkonservativen AfD und der islamfeindlichen Protestbewegung Pegida, die seit etwa einem Jahr in vielen deutschen Städten, insbesondere im Osten, gegen den Zuzug muslimischgläubiger Menschen demonstriert.

In der AfD setzten sich nach monatelangen Flügelkämpfen die nationalkonservativen Kräfte durch, an deren Spitze nun Frauke Petry als neue Parteichefin steht. Sie führt die AfD ganz offensichtlich auf einen fremdenfeindlichen Kurs. Auch privat hat sie einen Schnitt vollzogen: Sie trennte sich von ihrem Ehemann, einem evangelischen Pfarrer, und ist nun mit dem nordrhein-westfälischen AfD-Landeschef Marcus Pretzell liiert. Noch-Ehemann Sven Petry ist inzwischen in die CDU eingetreten. Über Twitter machte der Theologe mehrfach deutlich, dass er den Flüchtlingen in Deutschland positiv gegenübersteht. So hatte die private Trennung offensichtlich auch politische Gründe. Pretzell galt von Anfang an als Scharfmacher in der AfD.

Petry hatte Mitte September in Berlin eine Herbstoffensive ihrer Partei zur Asylpolitik angekündigt. In der einst als eurokritische Partei gegründeten AfD sind nur noch die Kräfte übrig, die nie Berührungsängste mit Pegida hatten. Dazu zählt auch Vize-Parteichef Alexander Gauland, der Pegida von Anfang an als "natürliche Verbündete" der AfD sah.

Der wachsende Unmut im Volk gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung gibt Wasser auf die Mühlen der AfD. Die Partei stieg zuletzt in Umfragen auf sechs bis sieben Prozent, nachdem sie durch die parteiinternen Querelen zwischenzeitlich auf zwei Prozent gesunken war.

Die Partei ist im Wandel: In Sachsen hat die AfD schon keine Scheu mehr, mit rechtsextremen Bürgerinitiativen wie dem "Heimatschutz Meißen" zu kooperieren. Mancherorts stimmen AfD und NPD auch in Kommunalparlamenten gemeinsam ab. Fremdenfeindlichkeit ist in diesen Kommunen salonfähig. Dort gehören offene Hetze und Aufrufe zur Gewalt gegen Flüchtlinge zum Alltag, wie die ARD-Dokumentation "Die Story" am Montagabend zeigte. Zur Ankunft von Flüchtlingen in der Stadt wurde in Meißen durch einen Schriftzug an einer Mauer offen zum "Asylantenjagen" aufgefordert.

Es ist aber nicht nur der Osten, in dem die Rechten erstarken. Insbesondere in NRW gibt es mehrere Gruppierungen, die der Verfassungsschutz als rechtsextremistisch einstuft. Dazu zählt die Splitterpartei Pro NRW, die vor mehr als zehn Jahren aus einer Bürgerbewegung gegen einen Moschee-Bau in Köln entstanden ist und in der Vergangenheit schon von sich aus Pegida-Demonstrationen organisierte. Sie gibt sich bürgerlich und basisdemokratisch, das Sagen aber haben Funktionäre, die aus der rechtsextremen Szene kommen.

Unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht in Nordrhein-Westfalen auch der Landesverband der Splitterpartei "Die Rechte", die der Behörde zufolge von Neonazis dominiert ist und als Ersatz für verbotene neonazistische Kameradschaften auftritt. Sie ist insbesondere in Dortmund und Hamm aktiv.

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(qua)
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