Aiman Mazyek "Die Grenze des Erträglichen ist überschritten"

Berlin · Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland, spricht über die Humorfähigkeit des Islam, die Rolle von Satire und die verquere "Gleichsetzung von Islam und Terror".

 Aiman Mazyek wirft den Attentätern von Paris Verrat am Islam vor.

Aiman Mazyek wirft den Attentätern von Paris Verrat am Islam vor.

Foto: dpa, chc pzi

Passen Islam und Humor zueinander?

Mazyek Ja, selbstverständlich. Es ist nur traurig, dass wir das jetzt im Kontext von Mord und Terror besprechen. Das erweckt den Eindruck, als gebe es für die Terror-Taten von Paris eine religiöse Rechtfertigung. Das ist nicht der Fall. Wir müssen in diesem Augenblick nicht nach der Humorfähigkeit oder der Reformfähigkeit des Islam fragen, sondern den Terror bekämpfen.

Man kann die Diskussion um den Islam aber auch nicht auf den Terror reduzieren . . .

Mazyek Richtig. Wir dürfen aber auch nicht den Eindruck erwecken, als seien provozierende Karikaturen die Begründung für solche Taten. An den Biographien der Täter kann man sehen, dass die Religion bei denen nur vordergründig eine Rolle spielt. Das sind im Grunde genommen religiöse Analphabeten.

Ermordet wurden nun einmal Karikaturisten. Können Sie sich dem Tucholsky-Zitat anschließen: Satire darf alles?

Mazyek Ermordet, sorry ,hingerichtet', wurden auch Polizisten, darunter ein Muslim. Zur Frage: Das Wort ,dürfen‘ vermittelt den Eindruck, als gebe es eine moralische Instanz, die eben dies erklärt. Wenn ich aber eine solche Instanz nicht anerkenne, dann sage ich: Satire kann alles. Aus meiner religiösen Sicht sage ich, dass es viel Satire gibt, die ich als geschmacklos, beleidigend oder peinlich empfinde.

In solchen Fällen setze ich mich mit dem Wort oder mit dem Stift und auch mit Humor damit auseinander. Aber ich lehne es ab, eine Debatte darüber im Zusammenhang mit den Terror-Anschlägen von Paris zu führen. Den Terroristen ging es doch nicht um eine Auseinandersetzung mit Satire.

Sie sollen bei der Tat gerufen haben "Wir haben den Propheten Mohammed gerächt" . . .

Mazyek Ja, vielleicht meinten sie, es als Vergeltung für Schmähungen tun zu können. Aber dann sage ich ganz klar: Das ist keine Vergeltung für irgendetwas, sondern das ist Verrat am Islam. Die Muslime sind ebenso Opfer dieser Terrortat.

Ist die Grenze dessen, was man an Satire verträgt bei Muslimen, Christen, Juden ähnlich eng oder weit gesteckt?

Mazyek Viel schlimmer als ekelhafte oder beleidigende Karikaturen finde ich die Pauschalisierung mancher Talkshows, die Islam und Terror gleichsetzen. Da ist für mich die Grenze des Erträglichen überschritten. Und es kann ja jetzt auch nicht darum gehen, auszuloten, bis zu welchem Beleidigungs-Pegel man bei den Muslimen gehen muss, bevor die durchdrehen. Diese Karikaturen, auch wenn sie geschmacklos und beleidigend sind, lassen mich kalt im Vergleich zu der schlimmen Lage in vielen arabischen Ländern wie Syrien und Irak und den schrecklichen Terroranschlägen von Paris.

So denken aber nicht alle Muslime. Aufruhr in der arabischen Welt wegen Karikaturen gab es erstmals 2005 nach den Veröffentlichungen einer dänischen Zeitung . . .

Mazyek Das ist jetzt aber sehr pauschal. In Europa hat nicht eine dänische Fahne gebrannt, in Amerika auch nicht. Es gab lediglich orchestrierte Demonstrationen in von Diktaturen geführten Ländern, die dies als willkommene Gelegenheit genommen haben, mal richtig Luft abzulassen. Das waren aber auch keine Massen. Die Kanzlerin hat damals die Muslime gelobt, dass sie besonnen reagiert haben. Das kann man heute noch nachlesen.

Eva Quadbeck führte das Interview

(qua)
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