"Pegida"-Demo in Dresden Warum die Polizei den Hass-Redner gewähren ließ

Dresden/Berlin · Der deutsch-türkische Autor Akif Pirinçci hat mit einer Äußerung über Konzentrationslager auf der "Pegida"-Demonstration in Dresden für einen Eklat gesorgt. Von der Bühne geholt hat ihn letztlich Organisator Lutz Bachmann. Die Polizei griff nicht ein. Polizei-Gewerkschafter Rainer Wendt erklärt die Gründe dafür.

 "Pegida"-Anhänger demonstrierten am Montagabend in Dresden.

"Pegida"-Anhänger demonstrierten am Montagabend in Dresden.

Foto: ap

Akif Pirinçci war einer Hauptredner der "Pegida"-Demonstration am Montagabend in Dresden. Seine Redezeit nutzte der für schwulen- und migrantenfeindliche Aussagen bekannte Autor, um mit aggressiven Worten gegen die Flüchtlingspolitik in Deutschland zu hetzen — mit Sätzen wie "Aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb".

Nicht nur in den sozialen Netzwerken sorgte das für Empörung, sondern auch auf der Demonstration selbst. Nachdem Pirinçci zunächst Applaus erhielt, waren später dann "Aufhören, Aufhören"-Rufe zu hören, und "Pegida"-Organisator Lutz Bachmann holte den Autoren schließlich von der Bühne, allerdings mit Verweis auf die Zeit.

Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Dresden die Ermittlungen aufgenommen. "Wir ermitteln wegen des Verdachts der Volksverhetzung", sagte Oberstaatsanwalt Lorenz Haase am Dienstag. Grund sei die Anzeige einer Privatperson, die noch in der Nacht bei der Polizei erstattet worden sei. Wann mit der Entscheidung über ein mögliches Strafverfahren zu rechnen sei, könne er noch nicht sagen.

Hätte die Polizei nicht eingreifen können?

Theoretisch hätte auch die Polizei vor Ort den Auftritt Pirinçcis beenden können. Wenn der Verdacht auf eine strafbare Handlung vorliege, könne eine Festnahme erfolgen, sagte Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DpolG) unserer Redaktion. Allerdings sei das bei Großdemonstrationen wie "Pegida" in der Praxis schwierig umzusetzen. Denn das vorrangige Ziel sei, dass gewalttätige Auseinandersetzungen unterblieben. "Wenn es zu Eskalationen gekommen wäre, dann hätte man den Beamten wiederum Unverhältnismäßigkeit vorgeworfen", sagte der Gewerkschaftschef.

Zudem würden gerade im Bereich Versammlungsrecht den Versammelten weitreichende Spielräume eingeräumt, was bei der Strafverfolgung beachtet werden müsse. "Deshalb ist es eigentlich unvorstellbar, einen Redner von der Bühne zu holen", bemerkte Wendt.

"Das ist die schwierige Entscheidung des Einsatzleiters vor Ort", sagte Wendt. Er müsse die notwendigen Maßnahmen und Folgen abwägen, es gebe eben keine "Wenn-dann"-Regelung. "In diesem Fall wurde der Einsatz umsichtig und professionell geführt, weil gewalttätige Auseinandersetzungen unterblieben sind", sagte Wendt, fügte aber hinzu: "Sie können mir glauben, dass es uns und den Einsatzkräften vor Ort bei einer solch widerlichen Demonstration schwerfällt, für die Durchsetzung des Versammlungsrechts zu sorgen. Aber wir haben einen gesetzlichen Auftrag und den müssen wir erfüllen, egal welche Inhalte dort transportiert werden."

Nach Auffassung des Strafrechtlers Helmut Pollähne vom Republikanischen Anwälteverein könnte Pirincci mit seinen Äußerungen den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt haben, wie er der Nachrichtenagentur AFP sagte. Volksverhetzung wird mit Haft von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Die Staatsanwaltschaft muss bei Verdacht auf Volksverhetzung ein Ermittlungsverfahren einleiten, eine Strafanzeige ist dazu nicht nötig.

Laut Gesetz macht sich wegen Volksverhetzung strafbar, "wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert". Ebenso macht sich strafbar, wer "die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet".

Derweil äußerten sich auch die "Pegida"-Organisatoren selbst zu der Rede Pirinçcis. "Viele Leute waren entsetzt", sagte Mitbegründer René Jahn der Deutschen Presse-Agentur. Viele hätten auch das Gelände verlassen wollen, wären aber wegen der dicht stehenden Menge gar nicht weggekommen.

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(das)
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