Rechtsextremismus Alarmierende Signale aus dem Osten

Berlin · Eine Studie über Rechtsextremismus in der Bundesrepublik zeigt: In Westdeutschland ist rechtsextremes Denken auf dem Rückzug. Anders sieht es beim Blick auf die neuen Bundesländer aus. Dort fällt das Gedankengut der Neonazis vor allem bei jungen Menschen auf fruchtbaren Boden.

Die "braune Falle"
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Forscher der Universität Leipzig haben in einer auf zehn Jahre angelegten Studie die Verbreitung von Rechtsextremismus in der Gesellschaft überprüft. Das Ergebnis: Während rechtsextremes Gedankengut im Westen insgesamt eher abnimmt, ist Ausländerfeindlichkeit in den neuen Bundesländern in den vergangenen Jahren immer häufiger anzutreffen.

Für die repräsentative Studie "Rechtsextremismus der Mitte " beobachteten die Wissenschaftler seit 2002 anhand von Umfragen die Verbreitung extremistischer Einstellungen in der Mittelschicht. Dazu wurden seither mehr als 10 000 Bürger befragt, wie sie bestimmte Aussagen bewerten.

Auch die gesellschaftliche Mitte ist gefährdet

Anhand der Befragungen lassen sich auch Rückschlüsse nach Altersgruppen machen. Demnach sind rechtsextreme Einstellungen besonders bei Jüngeren im Osten Deutschlands und bei Älteren im Westen verbreitet. Jeder Dritte im Westen, der vor 1930 geboren wurde, hat ein rechtsextremes Weltbild. Die Älteren vertreten damit die gleichen Ansichten gegenüber Ausländern wie jeder dritte junge Mensch aus den neuen Bundesländern, der nach 1981 geboren wurde.

"Die gesellschaftliche Mitte ist nicht davor geschützt, selbst zur Bedrohung der demokratisch verfassten Gesellschaft zu werden", warnen die Autoren. Insgesamt stimmten im Westen 23 Prozent ausländerfeindlichen Feststellungen wie diesen zu: "Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet."

Im bürgerlichen Milieu hoffähig

Co-Autor Elmar Brähler bezeichnet Ausländerfeindlichkeit als "Einstiegsdroge" für eine rechte Gesinnung. "Ausländerfeindlichkeit ist am Kaffeetisch oder am Stammtisch weit verbreitet", meint er. Sie werde jedoch oft verharmlost. Im bürgerlichen Milieu ist hoffähig, "sich deutlich antisemitisch oder islamfeindlich zu äußern", belegt die Umfrage.

Dafür, dass besonders ostdeutsche Jugendliche rechtsextremistischem Gedankengut anhängen, sehen die Forscher zwei Ursachen: wirtschaftliche Perspektivlosigkeit und fehlende historische Aufarbeitung der Diktatur-Erfahrung. Die DDR sah sich ausdrücklich nicht als Nachfolgestaat des NS-Regimes. "Das Gedankengut war aber trotzdem da, es wurde nur tabuisiert. Gruppen wie der ,Nationalsozialistische Untergrund' in Jena sind nicht aus dem Nichts entstanden", sagt Brähler.

Auffällige Altersschere zwischen Ost und West

Auch im Westen spielten Arbeitslosigkeit und fehlender Wohlstand in manchen Gegenden eine Rolle. "Wenn wirtschaftliche Bedingungen sich verschlechtern, tauchen neue Sündenböcke auf", schlussfolgert der Wissenschaftler. In den alten Bundesländern neigen insbesondere die vor 1940 Geborenen zu einer Verharmlosung des Nationalsozialismus, vor 1930 Geborene vertreten dezidiert antidemokratische Einstellungen. Bei den vor 1950 Geborenen haben im Westen zehn Prozent eine rechtsextreme Gesinnung. Einen genauso hohen Anteil erreichen im Osten die heute 30- bis 40-Jährigen und noch jüngere Menschen.

Die Leipziger Forscher sehen die Ursachen für die auffallende Altersschere zwischen Ost und West historisch begründet: "Mit dem Zusammenbruch von Gemeinschaften, die ihre Mitglieder autoritär integrieren, treten autoritäre Aggressionen hervor", sagt Brähler. Auch eine "Entwertung der Ideale der Elterngeneration" nach dem Zweiten Weltkrieg und nach dem Ende der DDR ist nach Ansicht der Forscher nicht spurlos an den folgenden Generationen vorübergegangen. Die Prägungen halten offenbar sehr lange an.

Zunehmende Gewaltbereitschaft

Die Forscher beunruhigt besonders, dass die jetzt über 80-Jährigen antidemokratische Einstellungen bis heute überzeugt vertreten. Die rechtsextremen Einstellungen der jungen Generation im Osten müssten deshalb auch wegen ihrer möglicherweise nachhaltigen Wirkung sehr ernst genommen werden.

Besonders ausländerfeindlich äußerten sich Bürger, die keinerlei Kontakte zu Migranten haben. Je enger die Kontakte am Arbeitsplatz und im Wohnumfeld sind, desto weniger verbreitet sind offenbar Vorbehalte und extreme Ansichten. Zu den Ergebnissen der Studie passt, dass die Zahl rechter Straftaten im Jahr 2012 um vier Prozent auf bundesweit 17 600 Vorfälle stieg. Die rechte Szene zeigt sich zunehmend gewaltbereit. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat mehr gesellschaftliches Engagement und eine "stärkere Sensibilisierung" angemahnt.

(RP/pst/das)
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