Rainer Brüderle meldet sich zurück "Also ich bin im Kopf voll dabei"

Mainz · Rund drei Wochen nach seinem Sturz zeigt sich FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle nun auch wieder körperlich im Wahlkampf. Zum Interview erschien er mit einer Krücke unterm Arm. Politisch zieht er einige klare Linien. Gegen die Ampel. Auch die SPD macht sich Gedanken über Bündnisse.

 FDP-Spitzenmann Rainer Brüderle schließt eine Ampel im Bund kategorisch aus.

FDP-Spitzenmann Rainer Brüderle schließt eine Ampel im Bund kategorisch aus.

Foto: dpa, Fredrik von Erichsen

Die Folgen des Sturzes seien schon fast vergessen. "Es geht mir jeden Tag besser - in ein bis zwei Wochen bin ich wieder voll im Felde", sagte 68-Jährige am Sonntag im ARD-Sommerinterview am Mainzer Rheinufer. "Also ich bin im Kopf voll dabei, und man kann auch mit einem Kopfball Tore schießen." Der FDP-Politiker war vor drei Wochen in der Nähe von Mainz gestürzt und hatte sich Arm und Bein gebrochen.

Trotz zuletzt schwacher Umfragewerte seiner Partei gab sich Brüderle betont kämpferisch: "Wir kämpfen bis zur letzten Stunde - um jede Stimme." Die ARD hatte das Interview eigens ans Rheinufer verlegt, um Brüderle die lange Anreise nach Berlin zu ersparen. Äußerlich war dem FDP-Spitzenkandidaten von dem Unfall nichts anzusehen, außer dass er mit einer Krücke zum Interview kam.

Eine Ampelkoalition mit SPD und Grünen nach der Bundestagswahl im September schloss Brüderle kategorisch aus. "Bei uns wird nicht geampelt.
Denn Ampelkoalitionen gehen ja nur, wenn man eine gemeinsame Basis hat", sagte Brüderle am Sonntag im ARD-Sommerinterview.

SPD und Grünen warf er vor, sich bei der Steuerbelastung der Bürger gegenseitig zu überbieten. Die SPD sei bei knapp unter 40 Milliarden, die Grünen bei 42 Milliarden Euro. "Beides ist grottenfalsch. Da ist keine Basis da", sagte Brüderle und bekräftigte: "Das gilt auch nach dem Wahltag."

Mit einem Wahlaufruf kurz vor der Bundestagswahl will die FDP nach dpa-Informationen eine Ampelkoalition auch ganz offiziell ausschließen. Mit dem Aufruf, den die Parteispitzen am 12. September in Mainz verabschieden wollen, sollen bürgerliche Anhänger für Schwarz-Gelb mobilisiert werden. Parteiintern umstritten ist, ob es in der letzten Woche vor der Wahl zusätzlich einen Sonderparteitag geben soll. "Im Moment sieht es danach aus, dass diese Option nicht gezogen wird", hieß es in der Parteiführung.

Eine aktuelle Emnid-Umfrage im Auftrag der "Bild am Sonntag" sieht die Union bei 42 Prozent. Die Liberalen würden demnach mit 4 Prozent den Einzug in den Bundestag verpassen. Die SPD käme auf 26 Prozent. Die Grünen würden 12 Prozent wählen, die Linke 8 Prozent.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte dem "Tagesspiegel am Sonntag", die schwarz-gelbe Koalition sei in der Sache erfolgreicher gewesen, als viele wahrnähmen. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass diese Regierung in den nächsten vier Jahren noch besser regiert."

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück schworen unterdessen ihre Anhänger in Nordrhein-Westfalen darauf ein, im Wahlkampf alles zu geben. "Wie die CDU in NRW am 22. September bei der Bundestagswahl abschneidet, ist für uns im Bund ein Schlüssel", rief Merkel am Samstag beim CDU-Landesparteitag in Bad Salzuflen.

Die Kanzlerin lehnte erneut Steuererhöhungen ab, sprach sich gegen Konjunkturprogramme für die schwächelnden Länder der Schulden-Krise aus und wiederholte ihre Forderung nach einem tariflichen Mindestlohn, angepasst an Branchen und Regionen. Die Delegierten feierten ihre Vorsitzende mit mehr als fünfminütigem Applaus.

Fast zeitgleich ging Steinbrück auf einem SPD-Zukunftskonvent in Bochum in die Offensive. "In 78 Tagen wird das Nichtstun dieser Regierung abgewählt", rief er vor 400 Genossen. Statt gelungener Reformen bei Pflege, Rente, Bundeswehr oder Energie gebe es nichts als "leere Schachteln". Applaus erntete Steinbrück auch mit einer Absage an eine große Koalition nach der Wahl. "Wir gewinnen dieses Ding, wenn wir mobilisieren." Mit der angekündigten Absage der FDP an eine Ampelkoalition reduzieren sich für Steinbrück und die SPD die Optionen, falls es nicht zum angestrebten rot-grünen Wahlsieg reicht.

Aus Baden-Württemberg bekam Steinbrück von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) Ratschläge. "In der Opposition darf man es sich nicht zu leicht machen und einfach nur einen Mäkel-Kurs fahren", sagte Kretschmann der "Welt". Erneut warb er für einen von der SPD unabhängigen Wahlkampf der Grünen: "Von Koalitionswahlkämpfen halte ich nichts."

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles warnte ihre Partei im Magazin "Focus" vor Spekulationen über eine große Koalition. "Frau Merkel hat keine Mehrheit, und wir kämpfen alle für Rot-Grün", sagte sie. "Jede andere Spekulation ist das Gegenteil von Mobilisierung. Und jeder, der öffentlich spekuliert, kriegt von mir eins auf die Mütze." Niemand in der SPD wolle eine große Koalition. "Auch wenn wir formal in unserem Regierungsprogramm nur Rot-Rot-Grün ausgeschlossen haben."

(dpa)
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