Nach Spionage-Affäre um Prism und Co Alte Späh-Vereinbarungen werden aufgehoben

Berlin · Die Debatte über Spähaktionen ausländischer Geheimdienste in Deutschland hat eine erste Konsequenz. Nach 35 Jahren wurden am Freitag zwei Vereinbarungen mit den USA und Großbritannien zur Überwachung der Telekommunikation in der Bundesrepublik aufgehoben.

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Foto: dpa, Jens Büttner

Nach Ansicht des Freiburger Historikers Josef Foschepoth hat dies aber keinerlei praktische Auswirkungen. Auf der Basis eines Abkommens von 1959 dürfen die Geheimdienste der USA, Großbritanniens und Frankreichs demnach auch in Zukunft legal Internet und Telefone in Deutschland überwachen, sagte Foschepoth der Deutschen Presse-Agentur dpa.

1968 hatte die Bundesrepublik mit den Westmächten Vereinbarungen zur Überwachung der Telekommunikation getroffen. Danach konnten die Alliierten von Deutschland Abhörergebnisse des BND und des Verfassungsschutzes anfordern, wenn es die Sicherheit ihrer Truppen in Deutschland erforderte.

Auf Wunsch der Bundesregierung wurden diese Verwaltungsvereinbarungen jetzt außer Kraft gesetzt. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sprach von einer "notwendigen und richtigen Konsequenz aus den jüngsten Debatten zum Schutz der Privatsphäre". Über Ergebnisse von Verhandlungen mit Paris wurde zunächst nichts bekannt.

Keine Ende der Spähaktionen in Sicht

Nach Foschepoths Worten können die früheren Alliierten Deutschland auch künftig ausspähen. Dieses aus der Nachkriegszeit stammende Recht sei inzwischen in deutsche Gesetze eingegangen. "Und damit ist jede Bundesregierung verpflichtet, sich daran zu halten." Die Grundlage der beiden aufgehobenen Vereinbarungen - das Zusatzabkommen zum Nato-Truppenstatut vom 3. August 1959 - sei nach wie vor gültig, erklärte der Historiker. "Im Klartext: Wir sind weiterhin verpflichtet, alle Informationen den Alliierten zur Verfügung zu stellen, auf engste Weise mit ihnen zusammenzuarbeiten. Aber auch die Alliierten sind weiter befugt, in Deutschland selbstständig nachrichtendienstlich tätig zu werden."

Zuletzt war bekanntgeworden, dass der US-Geheimdienst NSA mit dem Programm "XKeyscore" praktisch unbegrenzten Zugriff auf riesige Datenmengen weltweit hat. Außerdem soll der britische Geheimdienst GCHQ bei Abhöraktionen eng mit großen Telekommunikationsfirmen kooperieren. Nach Informationen der "Süddeutsche Zeitung" und des Norddeutschen Rundfunks handelt es sich dabei unter anderem um die international tätigen Unternehmen British Telecom, Verizon und Vodafone.

Vodafone und Telekom offenbar nicht beteiligt

Vodafone Deutschland und die Deutsche Telekom wiesen allerdings jede Beteiligung an Abhöraktionen ausländischer Geheimdienste strikt zurück. "Die Telekom gewährt ausländischen Diensten keinen Zugriff auf Daten sowie Telekommunikations- und Internetverkehre in Deutschland", sagte ein Unternehmenssprecher in Bonn. Ein Vodafone-Sprecher versicherte: "Der Schutz der Kundendaten hat bei Vodafone oberste Priorität."

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier griff Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an. Ihr fehle "der Mut und das Rückgrat", um die Grundrechte der Deutschen gegenüber den USA zu verteidigen, sagte der frühere Außenminister der dpa. "Auch acht Wochen nach Snowdens Enthüllungen hat die Bundesregierung nicht aufklären können, was mit den Daten der Menschen in Deutschland passiert." Der Historiker Foschepoth sagte indessen: "Alle Parteien, die bislang an der Regierung waren, haben diese Politik mitgetragen." In 60 Jahren deutscher Nachkriegsgeschichte sei jede Bundesregierung bereit gewesen, "den Willen der Amerikaner in dieser Hinsicht zu erfüllen".

(dpa)
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