Alternative für Deutschland Die Sarrazin-Pegida-Partei

Meinung | Düsseldorf · Kritik an Einwanderern, nationalistische Töne, Anti-Establishment-Parolen - mit Frauke Petry an der Spitze könnte die AfD dauerhaft zu der rechtsnationalen Partei Deutschlands avancieren, die das bundesrepublikanische Parteiensystem bislang erfolgreich zu verhindern wusste. Das ist auch die Schuld der etablierten Parteien.

 Frauke Petry ist die neue Chefin der AfD.

Frauke Petry ist die neue Chefin der AfD.

Foto: afp, jd/apr

Von einer Partei, die mit vielen Professoren und durchaus diskussionswürdigen Argumenten gegen eine ausufernde Euro-Rettungspolitik antrat, scheint nach dem Parteitag in Essen und dem Sieg von Frauke Petry eine nationalkonservative, ausgrenzend argumentierende und Ressentiments bedienende Partei übrigzubleiben. Eine "Pegida"-Partei, die die "sarrazinsche" Doktrin der in ihrer Existenz bedrohten deutschen Identität als Kernthema für sich definiert hat.

Frauke Petry will die AfD zu einer thematisch breiten Anti-Establishment-Partei formieren. Das war stets ihr Motiv. Die Debatten der wirtschaftsliberalen Ökonomen im Vorstand waren ihr oft zu abgehoben. Familien- und Ausländerthemen, Innere Sicherheit - das waren schon ihre Themen als Spitzenkandidatin im sächsischen Landtagswahlkampf. Dass die holzschnittartigen Anti-Zuwanderungs-Thesen diffuse Ängste in der Bevölkerung bedienen und fremdenfeindliche Ressentiments schüren, nimmt sie in Kauf. Die Politik der Duldung und Leistungszahlung führe zu einer "Selbsteinbürgerung" der Asylbewerber, sagt sie etwa.

Die Tage der AfD als eurokritische Partei sind gezählt. Jedes dritte AfD-Mitglied gab bei einer Umfrage auf dem Parteitag die "ungesteuerte Zuwanderung" als größtes Problem an. Auf den weiteren Plätzen der Delegierten-Frust-Skala rangierten neben der Euro-Krise die niedrige Geburtenrate in Deutschland (Sarrazins zentrales Thema in seinem Beststeller "Deutschland schafft sich ab") und die vermeintliche politische Korrektheit der gesellschaftlichen Eliten.

Angebliche Tabus aufbrechen, Themen diskutieren, an die sich das "Establishment" nicht herantraut. Das ist nicht nur die Rhetorik der "Pegida"-Organisatoren. Es ist auch das Muster der erfolgreichen europäischen Rechtsparteien. Wir gegen "die da oben". Systemkritik. Man wird doch mal sagen dürfen. Die neue Vize-Sprecherin Beatrix von Storch hat kurz nach ihrer Wahl einen EU-Austritt Deutschlands als diskutabel bezeichnet. Ein Delegierter schimpft auf die Grünen als "genderfaschistische Pädophilentruppe", ein anderer lobt sich, dass er "noch keinen Linken auf einem Baum geknüpft habe". Die "NPD light", die Hans-Olaf Henkel bei der AfD befürchtet. Bei einigen Delegierten wäre das noch euphemistisch.

Petry selbst, Einserabiturientin, promovierte Chemikerin, bezeichnet sich als Konservative. In ihren Interviews achtet sie sorgsam auf ihr Vokabular. Rechte Thesen sind ihr nicht zu entlocken. Dass es vor allem der nationalkonservative Flügel der Partei ist, der ihr den Sieg verschafft hat, stört sie aber nicht. Als es im Bundesvorstand vor einiger Zeit darum ging, mit einem Mitgliederbeschluss förmlich auf Distanz zu allen Organisationen im Umfeld der Rechtsextremen zu gehen, legte Petry ein Veto ein.

Frauke Petry - die deutsche Marine Le Pen?

Deutschland hat nun auch eine Marine Le Pen. Zwar mag Frauke Petry den Vergleich nicht, doch in der Argumentation ähneln sich beide Frauen bereits. Le Pen sieht sich als Vorkämpferin nationaler Interessen gegen die Multikulti-Mehrheiten von Hollande bis Sarkozy. Frauke Petry distanzierte sich im sächsischen Landtagswahlkampf von den etablierten Parteien, indem sie alleine den "Mut zu unbequemen Wahrheiten" für ihre Partei reklamierte, um dann einen Stammtisch zur "Asyl- und Zuwanderung" zu organisieren.

Wer ständig die eigene Identität in Gefahr sieht, macht automatisch Front gegen alles Fremde. So geschmeidig kann Rechtspopulismus daherkommen. Der neue AfD-Vize Alexander Gauland sagte in seiner umjubelten Parteitagsrede: "Als rechts gilt heute, wer einer geregelten Arbeit nachgeht, seine Kinder pünktlich zur Schule schickt und der Ansicht ist, dass sich der Unterschied von Mann und Frau mit bloßem Auge erkennen lässt." Das ist natürlich hanebüchener Unsinn. Niemand bezeichnet das als rechts. So gibt man sich als Opfer einer Verschwörung, inszeniert sich als normal und harmlos. So sind in Europa noch immer die besonders gefährlichen rechten Parteien gestartet.

Bislang wurde Deutschland von einer ernstzunehmenden rechten Partei verschont. Nicht nur die historische Last, auch das breite Spektrum der etablierten Parteien haben eine solche Bewegung stets unterdrücken können. Der Erfolg der AfD ist deshalb auch eine Ohrfeige für CDU, CSU, SPD, Grüne und FDP. Die tiefgreifende Staats- und Politikverdrossenheit haben sie mit zu verantworten. Der Hass auf das politische Establishment, das Misstrauen in die staatlichen Vertretungen, das Gefühl des Abgehängtseins, des Verlustes an Sicherheit und Fürsorge, das ja auch in der "Pegida"-Welt zum Vorschein kam, haben die etablierten Parteien in den vergangenen Jahren nicht ernst genommen. Rechtspopulistische Parteien haben so leichtes Spiel.

Und die Mär, dass man in Deutschland nicht offen und kritisch über die vermeintlichen Tabu-Themen Asyl, Zuwanderung oder Familienpolitik diskutieren könne, hat sich auch deshalb so verfestigt, weil manch ein Staatsvertreter seine eigene politische Ideologie mit politischer Korrektheit verwechselt oder politische Konzepte als "alternativlos" darstellt. Das Missverständnis dieser Politiker ist aber: Nur weil man Ängste und Sorgen eines Teils der Bevölkerung ernst nimmt, ist man noch kein Populist.

Nun ist es Aufgabe aller Parteien, der AfD nicht die Rolle zu überlassen, die sie gerne hätte.

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