Bundesregierung startet Kampagne Analphabetismus kein Problem der Dritten Welt

Düsseldorf · Die Zahlen sind besorgniserregend: 7,5 Millionen Menschen können nicht lesen und schreiben. Die Rede ist nicht von einem Dritte-Welt-Land. Die Rede ist von Deutschland, einer der führenden Industrienationen der Welt. Die Bundesregierung nimmt den Kampf gegen Analphabetismus auf.

Die Anforderungen unserer Gesellschaft an den Einzelnen sind hoch — und im Zuge der Globalisierung und stetig steigenden Vernetzung werden sie immer höher. Im Vordergrund steht der Leistungsgedanke.

Für viele Deutsche stellen diese Anforderungen ein unüberwindbares Hindernis dar: Sie können nicht ausreichend schreiben und lesen. Aufgrund dieser Schwäche werden an den Rand der Gesellschaft gedrückt. 7,5 Millionen sollen es laut einer EU-Studie sein. Europaweit sind die Zahlen noch alarmierender. Fast jeder Fünfte sei betroffen.

Die SPD forderte bereits lauthals, die Zahl der sogenannten funktionalen Analphabeten zu halbieren. Dafür müsse der Bund ab kommenden Jahr mindestens 50 Millionen Euro für Alphabetisierungs- und Grundlagenarbeit bereitstellen, mindestens 100.000 Kursplätze sollten zur Verfügung stehen.

14 Prozent der Deutschen haben demnach mit Problemen etwa auf dem Jobmarkt zu kämpfen. Dieser Zustand verlange eine "gemeinsame Kraftanstrengung aller relevanten Akteure aus Politik, Wirtschaft, Medien und Verbänden", erklärten SPD-Abgeordnete.

Neben dem schweren Einzelschicksal dürfe indes auch nicht der volkswirtschaftliche Schaden außer Acht gelassen werden. Experten der EU-Kommission sind sich sicher: Würde der Staat die Grundkompetenz von Schülern im Lesen, Schreiben, der Mathematik und den Naturwissenschaften besser fördern, könnte das Bruttoinlandsprodukt Europas um mehrere Billionen Euro steigen.

Und doch ist Analphabetismus ein in Deutschland tabuisiertes Thema. Die Bundesregierung nimmt nun den Kampf gegen Analphabetismus auf. Sie stellt am Mittwoch eine Kampagne vor. Bereits 2006 hatte der Bund einen Förderschwerpunkt eingerichtet. 30 Millionen Euro gab es seitdem für mehr als 120 Projekte zur Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener aus.

Die EU-Sachverständigen hatten bereits mehrere Konzepte vorgeschlagen, um Kinder wie Erwachsene zu fördern. Dazu gehören etwa mehr Lehrer, attraktivere Bibliotheken mit digitalen Medien, mehr Aufklärung über Analphabetismus und die Förderung von Kindern mit ausländischen Wurzeln. Nicht nur in den Schulen, sondern auch in der Familie, am Arbeitsplatz und in den Medien müsse das Thema diskutiert werden.

(nbe)
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