Regierungserklärung der Kanzlerin Merkel lobt die Türkei bei Flüchtlingshilfe

Berlin · Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Türkei für ihre Rolle bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise gelobt. Es gehe darum, eine faire Teilung der Lasten zu erreichen, sagte die Kanzlerin in ihrer Regierungserklärung.

 Merkel bekräftigte, dass die Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei "ergebnisoffen" geführt würden.

Merkel bekräftigte, dass die Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei "ergebnisoffen" geführt würden.

Foto: dpa, mkx htf

Außerdem hat Merkel der Türkei weitere Hilfen in der Flüchtlingskrise in Aussicht gestellt — über die bereits zugesagten drei Milliarden Euro hinaus. Der Wunsch der Türkei nach mehr Geld sei "völlig nachvollziehbar", sagte Merkel am Mittwoch in einer Regierungserklärung zum bevorstehenden EU-Gipfel vor dem Bundestag. Die Europäische Union sei dazu auch bereit.
Entscheidend sei, dass die Gelder tatsächlich in sinnvolle Projekte flössen, etwa Unterbringung, Schulen und medizinische Versorgung.

Die Leistungen der Türkei bei der Unterstützung von inzwischen 2,7 Millionen Flüchtlingen könnten "gar nicht hoch genug gewürdigt" werden, sagte Merkel. Ein Beitritt zur Europäischen Union stehe aber nicht auf der Tagesordnung. Die Beitrittsverhandlungen mit Ankara würden weiterhin ergebnisoffen geführt.

Die Kanzlerin knüpfte auch Visa-Erleichterungen für türkische Staatsbürger, wie sie Ankara nun schon vor dem Sommer durchsetzen will, weiter an Bedingungen. "Es ist noch viel zu lösen. Und wir werden sicherstellen, dass diese Bedingungen vollständig eingehalten werden."

Merkel bekräftigte die Forderung nach einer europäischen Lösung der Flüchtlingskrise. "Es gereicht Europa nicht zur Ehre, sich als Union von 28 Mitgliedstaaten mit 500 Millionen Bürgern bislang so schwer getan zu haben, die Lasten zu teilen." Umso wichtiger sei, jetzt "zumindest schrittweise" voranzukommen. Ziel müsse eine "faire Teilung der Lasten" sein.

Der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, Thomas Oppermann, hat vor einer "Renationalisierung der Grenzen" infolge der Flüchtlingskrise gewarnt. Dies hätte eine "schwere Beeinträchtigung" der Reisefreiheit und des Handels zur Folge, sagte Oppermann in der Bundestagsdebatte über die Regierungserklärung von Kanzlerin Merkel zum EU-Gipfel. "Mit Grenzschließungen können wir unseren Wohlstand nicht erhalten."

Der SPD-Politiker warnte vor einer "überheblichen und herablassenden Haltung gegenüber der Türkei", dies sei angesichts der türkischen Leistungen in der Flüchtlingspolitik "völlig unangebracht". Zugleich kritisierte Oppermann den Umgang des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mit der Meinungs- und Pressefreiheit in seinem Land. In Richtung der nach Europa kommenden Flüchtlinge sagte er, diese hätten einen Anspruch auf Schutz - "aber keinen Anspruch auf freie Wahl des Schutzlandes".

Der Linken-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch hat der Bundeskanzlerin einen "scheinheiligen Deal" mit der Türkei in der Flüchtlingskrise vorgeworfen. "Das Projekt Europa steht vor dem Scheitern", sagte Bartsch in der Debatte über die Regierungserklärung. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan diktiere der EU seine Bedingungen - ein Mann, der Journalisten verhaften lasse und die Pressefreiheit abschaffe. "Menschenrechte dürfen niemals und nirgendwo auf dem Verhandlungstisch liegen", warnte Bartsch.

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter hat die Bundesregierung zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Idomeni aufgefordert. Deutschland müsse jetzt — wie im vergangenen Jahr angesichts der Zustände in Ungarn — zu "humanitärer Soforthilfe" bereit sein, sagte Hofreiter. Die jetzige Haltung sei "beschämend für die Bundesregierung und beschämend für unser Land".

Nach Schließung der mazedonischen Grenze harren seit vergangener Woche mehr als 10.000 Migranten unter dramatischen Bedingungen an der griechischen Grenze bei Idomeni aus.

Zugleich warf der Grünen-Fraktionschef Merkel vor, von ihrem bisherigen offenen Kurs in der Flüchtlingspolitik abzuweichen. Die geplanten Vereinbarungen mit der Türkei bedeuteten "de facto nichts anderes als eine flexible Obergrenze". "Das ist unmenschlich, das ist Europa unwürdig, das ist inakzeptabel. Deshalb stoppen Sie das, Frau Merkel." An die Adresse der Kanzlerin fügte Hofreiter hinzu: "Verraten Sie nicht die Werte Europas!"

(gol/dpa/REU)
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