Griechenland-Abstimmung im Bundestag Miese Stimmung unter der Reichstagskuppel

Berlin · Hektisch mussten die Bundestagsabgeordneten für die Abstimmung über die Griechenland-Hilfen aus dem Urlaub anreisen. Es war keine Sternstunde des Parlaments.

Angela Merkel: erst Geburtstag, dann Griechenland-Rede
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Angela Merkel: erst Glückwünsche, dann Griechenland-Rede

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20 Minuten vor Beginn der Debatte über neue Hilfen für Griechenland steht Oppositionsführer Gregor Gysi vor dem Osteingang des Reichstags in der Sonne und gibt Interviews. "Wer nicht aufhören kann zu siegen, wird eines Tages verlieren", ätzt er über die Regierung, der er vorwirft, die Griechen erpresst zu haben. So ähnlich wird er das im Parlament wiederholen und der Bundesregierung vorwerfen, dass ihre Politik "unsozial, undemokratisch, antieuropäisch" sei.

Die Stimmung im Parlament an diesem heißen Juli-Tag, an dem die Abgeordneten der Regierung grünes Licht für die Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket geben sollen, ist vergiftet. Die Argumente beider Seiten sind abgegriffen, die Zwischenrufe ruppig. Auch in der Koalition herrscht frostige Atmosphäre: Union und SPD spenden sich gegenseitig nur sehr dürftig Applaus. Zu tief sitzt noch der Ärger über die Grexit-Debatte, also den möglichen Ausstieg der Griechen aus der Währungsunion.

Die Kanzlerin ist bemüht, in ihrer Rede das Image der eiskalten Deutschen abzuschütteln. Sie geht auf die Lage der griechischen Rentner ein. "Man stelle sich vor, was das bei uns bedeuten würde, wenn Rentner vor Banken Schlange stehen müssten, um 120 Euro pro Woche zu bekommen." Der linkspopulistischen griechischen Regierung wirft sie vor, die Reformerfolge, die sich im vergangenen Jahr gezeigt hatten, zerstört zu haben. "Das Ergebnis war ein Scherbenhaufen", sagt sie.

Auch ihr Misstrauen gegenüber den Griechen macht Merkel deutlich und verspricht den skeptischen Abgeordneten, bei der Ausgestaltung des dritten Hilfspakets auf "sehr strenge" Vereinbarungen für die Überprüfung der griechischen Reformversprechen zu achten. Am Ende wirbt die Kanzlerin aber dafür, dass der Bundestag den Weg freimacht für Verhandlungen über das dritte, voraussichtlich 86 Milliarden Euro schwere Hilfspaket: "Wir würden grob fahrlässig, ja unverantwortlich handeln, wenn wir diesen Weg nicht wenigstens versuchen würden."

SPD-Chef Sigmar Gabriel ist der Einzige an diesem Tag, der sich etwas Mühe gibt, für eine gute Atmosphäre zu sorgen. Er überreicht der Kanzlerin zum 61. Geburtstag einen roten Blumenstrauß und lobt in seiner Rede Kanzlerin und Finanzminister. Zugleich mahnt er die Union: "Jede Debatte um einen Grexit muss ein Ende haben."

Voller Pathos verweist der SPD-Chef darauf, dass die Griechen um ihre Selbstbehauptung kämpften und darum, in Europa geachtet zu werden. Im Ton grenzt er sich klar von der Union ab, die stets darauf pocht, dass die Griechen für weitere Hilfen neue Reformen umsetzen müssen. Gabriel hingegen stellt fest, dass zwei Hilfspakete wegen der massiven Sparmaßnahmen für die Griechen nichts gebracht hätten. So deutlich hat das bislang kein Regierungsmitglied formuliert. Union und SPD sind in dieser Frage viel weiter auseinander, als die große Mehrheit für weitere Verhandlungen vermuten lässt.

Nach fast sechs Jahren Debatten um die Stabilisierung der Griechen im Euro liegen die Nerven blank. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt greift einen Satz von CDU-Vize Thomas Strobl auf, der am Montag öffentlich erklärt hatte: "Der Grieche hat genug genervt." Dieser Satz sei unter dem Niveau von Giannis Varoufakis, schimpft Göring-Eckardt. Und über die schlechten Umgangsformen des früheren Finanzministers der griechischen Linken hatte sich ganz Europa aufgeregt.

Merkel wird aber ihren harten Verhandlungsstil beibehalten müssen, um die eigenen Abgeordneten bei der Stange zu halten. Bei einer ersten Abstimmung am späten Donnerstagabend in der Unionsfraktion hatte es nur 48 Stimmen gegen Verhandlungen für ein drittes Hilfspaket gegeben. Gestern waren es dann 60 Gegenstimmen und fünf Enthaltungen. Ein Großteil der Unionsfraktion sympathisiert in Wahrheit mit Schäubles Grexit-Plänen.

Als Schlüsselfiguren in der Frage, ob die Union für ein drittes Hilfspaket im September eine breite Mehrheit in der Fraktion erlangt, gelten die beiden stellvertretenden Fraktionschefs Michael Fuchs und Ralph Brinkhaus. Sie sind schon lange nicht mehr von der Griechenland-Rettung überzeugt, haben sich bislang aber in die Fraktionsdisziplin einbinden lassen. Fuchs gab gestern eine persönliche Erklärung zur Abstimmung ab, in der er die Schuldentragfähigkeit Griechenlands, die Beteiligung des Internationalen Währungsfonds an weiteren Krediten und die echte Reformbereitschaft Griechenlands als Bedingungen für eine abermalige Zustimmung nennt. Sollten die Bedingungen nicht erfüllt sein, "werde ich einer Hilfe zugunsten der Hellenischen Republik aus dem ESM (dem Euro-Rettungsfonds, d. Red.) bei der endgültigen Beschlussfassung nicht zustimmen", heißt es in dem Papier, das unserer Zeitung vorliegt.

(RP)
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