Unmut über Flüchtlingspolitik Merkels Macht bröckelt

Meinung | Berlin · In der Unionsfraktion am Dienstagabend machten viele Abgeordnete ihren Unmut gegen die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin deutlich. Trotz der üblichen Loyalitätsbekundungen hinterher bröckelt Merkels Macht.

 Angela Merkel bei der Fraktionssitzung am Dienstagabend.

Angela Merkel bei der Fraktionssitzung am Dienstagabend.

Foto: dpa, nie lof

Der Sockel, auf dem die Kanzlerin in der Union steht, hat ein so breites und schweres Fundament, dass Angela Merkel selbstverständlich sehr fest steht. In der Flüchtlingskrise fallen aus diesem Sockel aber immer mehr dicke Brocken heraus. CSU-Chef Horst Seehofer, der Merkel mit einer Klage vor dem Verfassungsgericht drohte, ist — um im Bild zu bleiben — geradezu mit dem Presslufthammer an Merkels Fundament herangegangen. Auch die sinkenden Umfragewerte lassen die Basis der Kanzlerin erodieren, die ihre Macht vor allem auf ihre Beliebtheit im Volk gründete. Der Aufstand in der Unionsfraktion ließ Merkels Fundament weiter bröckeln.

Viele machen eine Faust in der Tasche

Nach einer Sitzung wie am Dienstagabend, die Teilnehmer als "denkwürdig" bezeichneten, laufen immer die gleichen Mechanismen ab: Unionsleute in verantwortlicher Position gehen an die Öffentlichkeit, beteuern, dass alle hinter der Kanzlerin stünden und dass man ja wohl noch einmal offen diskutieren und streiten dürfe. Letzteres ist natürlich richtig und in einer derart schwierigen und komplexen Lage wie der Flüchtlingskrise auch angemessen. Der erste Teil der Statements gehört aber in die Abteilung machtpolitische Pflichtschuldigkeit. Der Dissens in der Union über die Flüchtlingspolitik ist seit Wochen offensichtlich. Viele Amtsträger in Partei und Fraktion machen inzwischen die Faust in der Tasche.

Merkels Macht und ihre Beliebtheit im Volk werden weiter erodieren, so lange es der Regierung nicht gelingt, vor die Welle der Probleme, Herausforderungen und immer neuen Flüchtlinge zu kommen. Zurzeit sieht es nicht danach aus, dass dies rasch gelingen kann — trotz des sinnvollen und nach vorne weisenden Gesetzespaket zur Flüchtlingskrise, das in dieser Woche verabschiedet wird.

Dreh- und Angelpunkt der Krise ist inzwischen die Frage, wie sich der Zustrom der Flüchtlinge verringern lassen kann, darauf hat die Kanzlerin keine Antwort — weder eine nationale noch eine europäische. So lange es der Bundesregierung nicht gelingt, die anderen EU-Staaten zu einem fairen und humanitären Umgang mit der Flüchtlingskrise zu bewegen, wird auch Deutschland nationale Maßnahmen ergreifen müssen, um den Zustrom zumindest so weit zu begrenzen, dass man die Flüchtlinge wieder zählen und registrieren kann. Dazu gehören Transitzonen, Grenzkontrollen mit Zurückweisungen, Asyl-Schnellverfahren und verstärkte Schleierfahndungen im Grenzgebiet.

Manch eine Maßnahme davon mag zunächst nur Symbolpolitik sein. Es ist aber wichtig eben diese Signale auch nach außen zu senden. Zudem muss Deutschland viel entschlossener in der EU und auf internationalem Parkett deutlich machen, dass Deutschland die Flüchtlingskrise nicht im Alleingang lösen kann.

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(qua)
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