Syrien-Flüchtlinge Merkel stellt sich hinter de Maizière

Berlin · Im unionsinternen Streit um den Familiennachzug bei syrischen Flüchtlingen kann Innenminister Thomas de Maizière das CDU-Präsidium von seiner Haltung überzeugen. Nun muss er eine Einigung mit der SPD finden.

 Angela Merkel im Gespräch mit Thomas de Maizière (beide CDU). Die Union steht nun geschlossen hinter dem Vorstoß, den Schutzstatus von Syrien-Flüchtlingen zu beschränken.

Angela Merkel im Gespräch mit Thomas de Maizière (beide CDU). Die Union steht nun geschlossen hinter dem Vorstoß, den Schutzstatus von Syrien-Flüchtlingen zu beschränken.

Foto: dpa, wk vfd

Für den Ernst der Lage in der Union ist Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ein Seismograph. Er wirft seine Autorität dann in die Waagschale, wenn es darum geht, den Laden zusammenzuhalten. Er ist die letzte Eskalationsstufe, bevor die Kanzlerin selbst etwas sagen muss. In den Auseinandersetzungen der vergangenen Wochen zwischen CDU und CSU schwieg er beharrlich. Er schätzte die Konfrontation zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) also offensichtlich als nicht bedrohlich ein.

Umso bemerkenswerter ist es, dass sich Schäuble an diesem Wochenende schnell und klar in den Streit um den Familiennachzug einmischte. Er stützte die Position von Innenminister Thomas de Maizière (CDU), wonach Flüchtlinge aus Syrien teilweise nur noch subsidiären Schutz erhalten sollen. Demnach bekämen sie nur noch das Aufenthaltsrecht für ein Jahr und dürften ihre Familien nicht mehr nachholen. Auch die CSU stärkte dem Innenminister den Rücken.

Seit Freitagabend drohte de Maizière zunächst zum Buhmann in der großen Koalition zu werden. Sein Vorstoß war nicht abgestimmt. Kanzleramtsminister und Flüchtlingskoordinator Peter Altmaier (CDU) erfuhr nach eigenen Angaben ausgerechnet von SPD-Chef Sigmar Gabriel von den Plänen des Innenministers. Der wiederum war empört, dass die Union zwei Tage nach der schwierigen Kompromissfindung zwischen den drei Parteichefs neue aus Sicht der SPD nicht akzeptable Vorschläge präsentierte.

Im Kanzleramt sorgte für Unmut, dass de Maizière mit einer Weisung an das Bundesamt für Migration vollendete Tatsachen geschaffen hatte und in der vergangenen Woche bei den verschiedenen Treffen der Koalitionsspitzen zur Flüchtlingspolitik dies nicht erwähnte. De Maizière musste auf Weisung des Kanzleramts gleich am Freitagabend zurückrudern. Inhaltlich blieb er bei seiner Forderung. "Das war wirklich nicht hilfreich", sagte ein Präsidiumsmitglied gestern unserer Redaktion über das unkoordinierte Vorgehen. "Das muss doch nicht sein", empörte sich der CDU-Spitzenpolitiker.

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Pikant ist auch, dass es ganz offensichtlich eine Verständigung der Innenpolitiker über die Familiennachzugsfrage am Kanzleramt vorbei gegeben hatte. "Wir kundigen Tebaner wussten schon Bescheid", sagte ein anderes Präsidiumsmitglied. Durch seine Intervention rettete Schäuble das Ansehen des Innenministers und gab auch der Mehrheitsmeinung in seiner Partei eine Stimme. "Wir müssen natürlich den Familiennachzug begrenzen, denn unsere Aufnahmekapazität ist ja nicht unbegrenzt", sagte Schäuble in der ARD.

Nach den Äußerungen des Finanzministers formierte sich gestern die Ablehnung des Familiennachzugs rasch zur Parteilinie der CDU. Die Kanzlerin ließ ihren Regierungssprecher ausrichten, sie habe "selbstverständlich" Vertrauen in ihren Innenminister. Der konnte sein Gesicht wahren, indem er nun mit der Innenministerkonferenz über den Familiennachzug verhandeln kann.

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Im Präsidium gab es zwar Kritik an de Maizières Art des Vorstoßes. Inhaltlich aber wurde man sich einig, dass auch die Flüchtlinge aus Syrien, wenn möglich, die normalen Verfahren zur Anerkennung als Flüchtlinge oder als subsidiär Schutzbedürftige durchlaufen sollen. Diese Verfahren waren wegen des hohen Andrangs und wegen der hohen Anerkennungsquote der Syrer im Oktober 2014 vereinfacht worden. Dies hat aktuell zur Folge, dass die Syrer grundsätzlich einen Status nach der Genfer Flüchtlingskonvention erhalten, der mit einem dreijährigen Aufenthaltsrecht und dem Recht auf Familiennachzug verbunden ist.

CDU-Vize-Chefin Julia Klöckner sagte dazu unserer Redaktion: "Das Asylrecht ist ein Recht für den Einzelnen, nicht für ganze Nationen. Es bedarf daher konsequenterweise auch einer Einzelfallprüfung." Sie betonte, die Verhältnisse in den Herkunftsländern seien regional oft sehr unterschiedlich. "Ich erwarte von der SPD, dass man sich hier der Wirklichkeit öffnet."

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(qua)
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