Berlin Merkel weist Erdogan-Kritik an Abgeordneten zurück

Berlin · Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Verbalattacken des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gegen türkischstämmige Bundestagsabgeordnete kritisiert. Ein türkischer Vertreter wurde ins Auswärtige Amt gebeten.

Angela Merkel nennt die türkischen Vorwürfe gegen Abgeordnete nicht nachvollziehbar

Angela Merkel nennt die türkischen Vorwürfe gegen Abgeordnete nicht nachvollziehbar

Foto: dpa, rje lof

"Die Vorwürfe und die Aussagen, die da jetzt gemacht werden von der türkischen Seite, halte ich für nicht nachvollziehbar", sagte Merkel am Dienstag in Berlin. "Die Abgeordneten des Deutschen Bundestags sind frei gewählte Abgeordnete ausnahmslos." Es gebe unterschiedliche Sichtweisen zwischen der Mehrheit des Bundestags und der Türkei.

Auch das Auswärtige Amt kritisiert die Verbalattacken aus der Türkei scharf. Der türkische Geschäftsträger in Berlin sei zu einem Gespräch ins Auswärtige Amt "eingeladen" worden, hieß es aus dem Außenministerium. In dem Gespräch sei "deutlich" gemacht worden, dass die jüngsten Äußerungen zu deutschen Abgeordneten "mit Unverständnis aufgenommen wurden".

Nach der Verurteilung der Massaker an den Armeniern vor 100 Jahren als Völkermord im Bundestag hatte Erdogan türkischstämmige Abgeordnete als verlängerten Arm der verbotenen PKK bezeichnet. Er verlangte, ihr Blut zu testen. Deutschland warf er mangelnde Aufarbeitung des Holocaust vor. Im Internet wurden die elf türkischstämmigen Abgeordneten auch massiv bedroht.

Merkel sagte, sie habe sich immer für direkte Gespräche zwischen Armenien und der Türkei eingesetzt und werde dies weiter tun. Eine vorübergehende Entspannung der belasteten Beziehungen zwischen beiden Ländern war nur von kurzer Dauer gewesen. Die Kanzlerin betonte, die Armenien-Resolution des Bundestags enthalte ausdrücklich die Singularität des Holocaust. Deutschland habe sich mit der Geschichte des Nationalsozialismus auseinandergesetzt und werde dies weiter tun.

Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth warf Erdogan vor, "offene Hetze" gegen deutsche Abgeordnete zu betreiben. Die Grünen-Politikerin forderte Merkel auf, bei Erdogan offiziell gegen dessen Vorwürfe zu protestieren. "Die Kanzlerin muss jetzt klar Stellung beziehen. Was Erdogan macht, verstößt gegen alle Gepflogenheiten", sagte Roth der Deutschen Presse-Agentur. "Das darf man ihm nicht durchgehen lassen."

Unionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) sagte: "Es ist überhaupt völlig inakzeptabel, Abgeordnete türkischer Abstammung wegen ihres Abstimmungsverhaltens massiv zu bedrohen." Er lasse sich von keinem Staatspräsidenten vorschreiben, wie er abstimme. "Das muss unser Selbstverständnis sein. Wir müssen hier ganz klar zusammenstehen."

(crwo/dpa)
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