Begeisterung im Netz Syrer preisen Merkel als barmherzige Mutter

Düsseldorf · In Deutschland wird Bundeskanzlerin Merkel wegen ihrer zögerlichen Haltung in der Flüchtlingsfrage scharf kritisiert. Viele Syrer hingegen sehen in der Kanzlerin mittlerweile fast eine Heilige. Im Netz kursieren ihre Bilder mit dem Satz "Wir lieben dich."

Angela Merkel wird von Syrern als barmherzige Mutter gefeiert
Foto: Twitter

Der Kontrast könnte größer kaum sein. In Deutschland wird Merkel wegen der Flüchtlingskrise überaus kritisch beäugt und das von gleich mehreren Seiten. In Heidenau beschimpften sie Rechtsnationale als "Volksverräterin", einen Tag zuvor wurden auch bei ihrer Ankunft im Duisburger Problemstadtteil Marxloh Pfiffe laut.

Die Medien dreschen auf sie ein, weil sie erst spät öffentlich zu den rechtsextremen Übergriffen von Heidenau Stellung bezog, im Netz sorgte der Hashtag #merkelschweigt für Furore und selbst die so seriöse Tagesschau machte mit. Bestens in Erinnerung sind auch noch die bösen Kommentare, nachdem Merkel bei ihrer Begegnung mit dem weinenden Flüchtlingsmädchen Reem eine eher kühle Reaktion gezeigt hatte.

Doch spielt sich in diesen Tagen in sozialen Netzwerken etwas ganz anderes ab. Dort wird Merkel mit Liebe überschüttet. Absender sind in der Regel syrische Nutzer, die die deutsche Kanzlerin als Heilsbringerin ansehen. In Tweets und Facebook-Postings preisen sie sie mit verklärenden Bildern, schwärmerischen Titeln und sogar Gedichten. "Mitfühlende Mutter", heißt es da etwa, oder aber mit arabischem Hang zur bildhaften Lyrik: "Deine Liebe ist meine Karte, die Karte des Schleusers interessiert mich nicht mehr."

ميركل تستحق الشكر والغاء بصمة دبلن كم اتمنى اللقاء بك يوما

Auslöser des für Merkel ungewohnten Candystorms ist eine Mitteilung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, abgekürzt BAMF vom vergangenen Dienstag. Darin teilte die Behörde mit, dass sie vorerst davon absehen werde, syrische Flüchtlinge nach den Standards des Dublin-Abkommens zu behandeln, also fortan nicht mehr in das EU-Land zurückzuschicken, in denen sie zuerst registriert wurden. Vielen Syrern ermöglicht das ein besseres, würdigeres Leben: Sie müssen nicht mehr befürchten, in menschenunwürdige, überfüllte Auffanglager in beispielsweise Italien, Ungarn oder Griechenland zurückkehren zu müssen.

Schon der entsprechende Tweet des BAMF löste Dankbarkeit aus. "Danke Deutschland. Du rettest Syrische leben... Hoch leben Deutschland", twitterte ein Follower namens ribal kousa. Das aber war erst der Anfang. Unter den Hashtags #Merkel und #Syria finden sich bei Twitter mehrere Danksagungen an Merkel, aber auch die "mitfühlende" deutsche Bevölkerung. Die syrischen Netz-Aktivisten registrieren offenbar ganz genau, dass in Deutschland inzwischen 45.000 Syrer aufgenommen wurden, in Frankreich hingegen gerade mal 1000.

Mehrfach geteilt wurde insbesondere eine Collage. Eine Seite zeigt Merkel vor dem Hintergrund der deutschen Nationalflagge, links neben ihr ist der syrische Diktator Baschar al-Assad vor den syrischen Farben zu sehen. Unter beiden Bildern steht in arabischer Schrift "Wir lieben dich." Die Collage ist offenbar eine ironische Geste in Richtung Assads. In Syrien lässt der Diktator auf Straßen genau dieses Bild plakatieren.

"Spiegel Online" weist im Zusammenhang mit den syrischen Huldigungen der Kanzlerin noch auf ein weiteres Video hin, das angeblich in syrischen Netzwerken große Popularität genießt. Es zeigt die Ankunft eines Flüchtlingsbusses in Oer-Erkenschwick, NRW. Die Passagiere werden von einer Schar winkenden Menschen freundlich in Empfang genommen, auch ein Transparent mit einem arabischen Schriftzug ist zu sehen.

Laut Spiegel Online wurde das Video tausendfach geteilt. Auch bei Twitter finden sich zahlreiche Kommentare dazu. "Segne sie!", lautet einer. "Ich habe Tränen in den Augen. Die Deutschen sind barmherziger als unsere arabischen Brüder", zitiert der Beitrag eine andere Reaktion.

Die syrische Begeisterung für die deutsche Kanzlerin hat mittlerweile international Aufmerksamkeit erregt. Am Freitag berichteten unter anderem BBC und die Washington Post über Merkels neue Sympathisanten.

(pst)
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