Terror in der Türkei Der Anschlag von Ankara wirft auch Merkel zurück

Meinung | Berlin · Auf der Türkei ruhten bisher alle Hoffnungen der Bundesregierung, die europäische Flüchtlingskrise und damit die angespannte Lage im eigenen Land rasch abzumildern. Mit dem Attentat von Ankara hat diese Strategie einen herben Rückschlag erlitten.

Wie sich Europas Länder abschotten
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Foto: dpa, bip sh htf

Eine geschwächte, mit sich selbst beschäftigte und in den Kampf gegen die Kurden verstrickte Türkei wird bei der Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen sowie bei der geplanten europäisch-türkischen Grenzsicherung nicht so viel leisten können, wie dies ein gefestigtes Land könnte.

Allein die Absage des Treffens der sogenannten Koalition der Willigen, jener europäischen Staaten, die zumindest bedingt bereit sind, geordnet Flüchtlingskontingente aus der Türkei aufzunehmen, ist für die deutsche Regierung dramatisch. Die Kanzlerin hatte versprochen, dass die Flüchtlingszahlen sinken werden und dabei auf die Außensicherung der europäischen Grenzen in Kombination mit Flüchtlingskontingenten aus der Türkei gesetzt.

In dieser Woche musste sie nun zuerst ihre Kontingent-Pläne verschieben, weil sie dafür zu wenige Verbündete hat. Nun müssen auch die konkreten Verabredungen zur Grenzsicherung warten. Die türkische Regierung hat aus verständlichen Gründen das Treffen mit den kooperativen EU-Staaten wie Deutschland, Österreich und Frankreich abgesagt.

Nur winzige Fortschritte

Das Treffen soll nachgeholt werden. Doch den Europäern läuft die Zeit weg bei ihrem Versuch, den Schengenraum mit seinen offenen Grenzen zusammenzuhalten. Je länger Merkel und ihre wenigen Verbündeten brauchen, um mit der Türkei eine Lösung zu finden, desto mehr riegeln die osteuropäischen Staaten und auch Österreich auf eigene Faust ihre Länder ab.

Auch hätte die Kanzlerin den Nachweis von Fortschritten dringend gebraucht. Im Herbst hatte sie versprochen, die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren. Es gibt Fortschritte beim Bemühen um eine europäische Lösung, aber es gibt noch keine spürbare Verbesserung. Für die Wahlkämpfer von Union und SPD in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt ist das eine schwierige Botschaft. Überall ist die AfD auf dem Vormarsch, die ohne politische Konzepte nur mit Stimmungsmache gegen Flüchtlinge immer bessere Umfragewerte erhält.

In der Warteschleife

Die Kanzlerin wird auch ihre "Zwischenbilanz" überdenken müssen. Nach dem EU-Gipfel wollte sie die Botschaft verbreiten: Auf dem Weg einer europäischen Lösung der Flüchtlingskrise gemeinsam mit der Türkei gibt es so viele Fortschritte, dass der Weg weiter gegangen werden sollte.

Das Attentat in Ankara macht ihr da einen Strich durch die Rechnung.

(qua)
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