Nach Kritik von SPD-Chef Beck Arbeitsloser lässt sich die Haare schneiden

Düsseldorf (RPO). Der Arbeitslose, dem SPD-Chef Kurt Beck geraten hatte, sich zu waschen und zu rasieren, ist tatsächlich zum Friseur gegangen. Der 37-jährige Henrico Frank ließ sich am Donnerstag in Wiesbaden seinen Bart und seine langen Haare schneiden.

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Frank war am Dienstag auf einem Weihnachtsmarkt in Wiesbaden mit dem rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Beck wegen Hartz IV aneinander geraten. Beck hatte dem Arbeitslosen gesagt: "Wenn Sie sich waschen und rasieren, haben Sie in drei Wochen einen Job." Frank hatte Beck zuvor lautstark auf seine Arbeitslosigkeit hingewiesen und ihm ironisch für "Hartz IV" "gedankt".

Beck zweifelte an, dass der 37-Jährige in seinem Leben schon viel gearbeitet habe und verwies ihn auf die notwendige Körperpflege bei der Suche nach einer Stelle. "'S Lebbe iss doch wie 's iss", schloss der Parteichef seine Bewerbungstipps ab. Der Arbeitslose versprach Wäsche und Rasur. Dafür müsse Beck ihm aber einen Termin in der Mainzer Staatskanzlei verschaffen. "Die Einladung steht", betonte SPD-Sprecher Lars Kühn in Berlin. Wenn der Betroffene sich melde, "wird ihm Kurt Beck helfen, einen Job zu finden".

Frank präsentierte sich am Donnerstag erkennbar gewaschen und rasiert und erklärte, er sei bereit, "jeden Job zu nehmen. Er wolle nicht mehr gezwungen sein, "von Almosen vom Amt zu leben".

Beck sagte am Donnerstag in einem Interview des Bayerischen Rundfunks auf die Frage, ob Waschen und Rasieren eine Methode sei, um Langzeitarbeitslose wieder in Arbeit zu bringen: "Schon, wenn es in der Person ausdrücklich begründet ist und wenn man damit ein Angebot verbindet - so wie ich - jemandem zu helfen, dann auch einen Job zu kriegen."

Vom Medienrummel überrascht

"Ich hätt' ja nie gedacht, was ich damit alles auslöse", sagte der 37-Jährige am Donnerstag völlig verdattert. Am Dienstagabend hatte sich der arbeitslose "Hartz IV"-Empfänger auf dem Wiesbadener Weihnachtsmarkt SPD-Chef Kurt Beck in den Weg gestellt und verbal attackiert - und wurde auf einen Schlag bundesweit berühmt. Dabei wollte Frank nur seinem Ärger über seine Lebenssituation Luft machen, da, wo das seiner Meinung nach hingehört: gegenüber der SPD, der Partei, die nach seiner Überzeugung die "Hartz IV"-Gesetzgebung erfand.

"Ich wollte dem mal meine Meinung geigen", sagte Frank am Donnerstag in Wiesbaden. Gegen Beck persönlich habe er nichts, im Gegenteil: "Als Landesvater in Rheinland-Pfalz war er mir eigentlich sympathisch", betonte er. Doch seitdem Beck SPD-Chef geworden sei, "kriegt er Höhenflüge" und wisse gar nicht mehr, "was unten an der Basis los ist".

Mit der Wende kam die Arbeitslosigkeit

Unten an der Basis, da ist Henrico Frank seit gut 17 Jahren. Der gelernte Baufacharbeiter wuchs im thüringischen Gotha auf, arbeitete jahrelang auf dem Bau, mauerte, verputzte, legte Fliesen. Dann fiel er eines Tages betrunken von einer Hollywoodschaukel und zerquetschte sich die Schulter. Als Handwerker war Frank von da an arbeitsunfähig, arbeitete danach noch als Schaffner und Straßenbahnfahrer in Gotha. Mit der Wende ging auch dieser Job flöten, Frank wurde obdachlos, der Alkohol kam hinzu.

Irgendwann lernte er ein Mädchen kennen, erzählte der 37-Jährige, aus Taunusstein bei Wiesbaden. Frank zog hinterher, seit zehn Jahren lebt er nun in der hessischen Landeshauptstadt, richtig mit Wohnung, wie er betonte. Mehrere Jobs hatte er, im Antiquitätenhaus, als Pferdepfleger, und schließlich in einer Mainzer Seniorenresidenz als Altenpfleger. Der Job machte ihm Spaß, die alten Leute hätten sich nicht an seinem Irokesenschopf und auch nicht an den Piercings in Nase und Ohr gestört: "Die sagten, dann kommt hier mal ein bisschen Farbe in den Alltag", berichtete Frank.

Doch nach einem Jahr war auch damit Schluss: Sein Arbeitgeber wollte ihn nicht weiter beschäftigten, weil er keine Ausbildung hatte, behauptete Frank. Die Ausbildung hätte er gerne gemacht, doch das Arbeitsamt verweigerte die Kostenübernahme - zu teuer, zudem sei er - damals gerade 30-jährig - zu alt.

Beim Grünamt als Ein-Euro-Jobber

Seitdem arbeitete Frank beim Grünamt der Stadt, zuletzt als Ein-Euro-Jobber. "Ich wollte nicht zu Hause sitzen, das bringt mich ja nicht weiter", sagt er. Ein Bandscheibenvorfall setzte auch dieser Tätigkeit ein Ende. Seitdem habe er seinen Sachbearbeiter nicht einmal mehr gesehen. "Ich will aus der Scheiße raus", sagt Frank. Er sei keiner von den "Faulenzern und Drückebergern; ich kann arbeiten und ich will arbeiten".

Beim Wiesbadener Verein "Hartz4-Plattform" ist er im Vorstand. Der Verein setzt sich für die Abschaffung von "Hartz IV" ein und hat gerade eine Ausstellung zu Schicksalen und Erfahrungen in Wiesbaden laufen. Dass er sich aber von einem Spitzenpolitiker anhören müsse, er solle sich erst mal waschen und rasieren, "das hat mich schon überrascht", sagte Frank.

Beleidigt habe ihn das aber nicht: "Ich bin es gewöhnt, als Punk angepöbelt zu werden", sagte er. Eine Entschuldigung von Seiten des SPD-Chefs sei ihm deshalb auch "nicht so wichtig", viel wichtiger sei ihm, "dass der sein Wort hält und mir einen neuen Job verschafft". Ansonsten betonte Frank: "Ich stehe am 2. Januar vor der Mainzer Staatskanzlei, gewaschen und rasiert. Mal sehen, ob Kurt Beck mich dann empfängt."

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