Alle Deutschland-Artikel vom 05. Juni 2003
Vor einem Jahr: Möllemann springt in den Tod

Politiker hat sich vom Fallschirm selbst befreitVor einem Jahr: Möllemann springt in den Tod

Münster (rpo). Die Nachricht löste sowohl unter Politikern als auch unter vielen Bürgern Bestürzung aus. Am 5. Juni 2003 ist Jürgen Möllemann in den Tod gesprungen. Nach seinem Fallschirmabsturz hält die Polizei heute einen Selbstmord des 57-Jährigen für "sehr wahrscheinlich". Wir rollen den Fall noch einmal auf und zeigen, wie Möllemann vom Spitzenpolitiker zum Außenseiter wurde.Die Leiche des getöteten Politikers Jürgen Möllemann konnte nach Angaben der Essener Staatsanwaltschaft unmittelbar nach dem Absturz identifiziert werden. Die genaue Todesursache war zunächst unklar, sagte der Essener Oberstaatsanwalt Wolfgang Reinicke vor einem Jahr in Recklinghausen. Möllemann hat keinen Abschiedsbrief hinterlassen. Eine Sprecherin des Flughafens Loemühle sagte, Möllemann sei in einer Gruppe von zehn Springern aufgestiegen. Er habe nach Aussagen seiner Mitspringer als Vorletzter abspringen wollen und das auch getan. Möllemann habe nach Beobachtung seiner Kameraden ganz normal am Hauptschirm gehangen. Dieser habe sich aber plötzlich in großer Höhe gelöst. Ein Reserveschirm habe sich aber nicht geöffnet. Möllemann habe den bereits geöffneten Hauptschirm abgeworfen und den Reserveschirm nicht geöffnet, sagte der Chef des Fallschirmclubs Marl, Thomas Vilter. "Wir sind hier am Flugplatz Loemühle gestartet und auf einer Höhe von 4000 Metern mit zehn Mann ganz normal abgesprungen", schilderte Vilter. "Ich war in einer Fünfer-Gruppe. Wir haben also einen ganz normalen Formationssprung gemacht." Möllemann sei als Einzelspringer hinterher gesprungen. "Was wir bis jetzt zusammenfassend sagen können: Er hat an einem voll intakten Fallschirm gehangen, und der ist auch ganz normal aufgegangen." Möllemann habe in 1500, 1600 Metern Höhe den Schirm aufgemacht. "Und zu einem Zeitpunkt, der mir nicht klar ist, aber der ausreichend hoch war, hat er dann den Hauptschirm abgeworfen. Eine Störung war von hier aus, vom Boden aus, nicht zu erkennen." Der Hauptschirm müsse abwerfbar sein, weil man sonst die Reserve nicht richtig aktivieren könne, sagte Vilter. Es könne immer sein, dass der Hauptschirm mal eine Störung habe. "Aber normalerweise zieht man dann ja auch die Reserve. Und das ist unterblieben. Die Sprecherin der Bezirksregierung Münster, Ulla Lütke-Hermölle, sagte, nach Zeugenaussagen sei Möllemann schon den Vormittag über ziemlich einsilbig gewesen. Möllemann schlug etwa 500 Meter von dem Flughafen Marl-Loemühle entfernt auf einem Feld auf. Der Sprung sei bereits tags zuvor geplant gewesen, wurde aber wegen der Wetterlage verschoben. Der tödliche Sprung ist etwa eine Viertelstunde nach Aufhebung der Immunität des Abgeordneten erfolgt. Mit der Entscheidung im Bundestag fiel der Startschuss für die Durchsuchung von Büros und Wohnungen Möllemanns an insgesamt 25 Stellen in 13 Orten im Bundesgebiet sowie in Luxemburg, Spanien und Liechtenstein. Nach Angaben des Düsseldorfer Staatsanwalts Johannes Mocken standen die Aktionen im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren gegen Möllemann wegen Steuerhinterziehung und Verstoß gegen das Parteiengesetz, Betrug und Untreue. Der 57-jährige Möllemann hat eine Frau und drei Kinder hinterlassen.