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Interview mit Armin Laschet "Kerneuropa für Terrorabwehr schaffen"

Düsseldorf · Der CDU-Vize Armin Laschet will ein Europa der zwei Geschwindigkeiten: Deutschland und Frankreich sollen bei den Geheimdiensten vorangehen, fordert er im Gespräch mit unserer Redaktion

Armin Laschet: Infos zum NRW-Ministerpräsidenten & CDU-Kanzlerkandidaten
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Das ist Armin Laschet

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Foto: dpa/Michael Kappeler

Herr Laschet, wann endet die Willkommenspolitik?

Laschet Ich hoffe, dass die Willkommenskultur, die von vielen Tausend Ehrenamtlichen, den Kirchen und den Städten und Gemeinden vor Ort gelebt wird, noch lange anhält. Ohne sie würde das System heute schon zusammenbrechen. Unabhängig davon, dass wir es nicht jedes Jahr schaffen, eine Million Menschen aufzunehmen, und dass wir die Zahl der Flüchtlinge reduzieren müssen, sollten wir dennoch denen, die da sind, ein freundliches Gesicht zeigen. Auch wer nicht bleiben kann, hat es verdient, dass wir ihm anständig begegnen.

Wie wollen Sie reduzieren?

Laschet Bundestag und Bundesrat haben bereits die schärfste Veränderung des Asylrechts seit 25 Jahren beschlossen. Jetzt wird klarer getrennt zwischen denen, die schutzbedürftig sind und denen, die kein Asylrecht genießen und möglichst schnell wieder zurückgeführt werden müssen. Hinzu kommen die Aktivitäten, ein europäisches Verteilsystem aufzubauen. Und das Entscheidende: Wir müssen die Lage in den Flüchtlingslagern im Libanon, in Jordanien und in der Türkei verbessern und die Außengrenzen der EU intensiver schützen. Dieses Gesamtkonzept wird zu einer Reduzierung der hohen Flüchtlingszahlen führen.

Markus Söder von der CSU sagt, Paris habe alles verändert. Hat er recht?

Laschet Nein. Paris hat an dem Schutz für Menschen in Not gar nichts verändert. Es wäre ja absurd, die Opfer, die vor dem IS geflohen sind, in eine Verbindung zu den Tätern zu setzen, vor denen die Menschen gerade geflohen sind. Das hat auch der CSU-Vorstand inzwischen klargestellt.

Welche Lehren ziehen Sie aus Paris?

Laschet Wenn ein Anschlag in Frankreich verübt wird, der in Syrien geplant wurde, die Täter in Belgien gelebt haben und in Deutschland potenzielle Unterstützer gefasst werden, dann ist doch klar, dass Schluss sein muss mit der nationalstaatlichen Kleinstaaterei. Wir brauchen mehr Europa. Wir brauchen eine noch stärkere europäische Integration von Polizei und Geheimdiensten. Wenn da nicht alle mitziehen, dann ist der Zeitpunkt da, ein Europa der zwei Geschwindigkeiten auf den Weg zu bringen. Wer das genauso sieht, soll mit anderen Partnern vorangehen.

Sie wollen also die Idee von einem Kerneuropa für Terrorabwehr realisieren?

Laschet Ja. Unterschiedliche Zonen in der EU gibt es ja schon bei der Währungsunion und bei der Schengen-Freizügigkeit. Ich wünsche mir jetzt, dass wir in einem europäischen Kern aus Deutschland und Frankreich mit den Gründungsstaaten Belgien, Niederlande, Luxemburg und Italien und allen anderen, die wollen, einen neuen Integrationsschritt machen, indem wir die Polizeiarbeit und die Geheimdienstarbeit noch mehr überstaatlich organisieren. Die internationale Bedrohung lässt es nicht zu, dass wir auf alle 28 Staaten warten. Und wir brauchen einen europäischen Grenzschutz, an dem alle Mitgliedstaaten mitwirken - und zwar nicht nur mit symbolischen Beiträgen. Den Schutz der EU-Grenze im Mittelmeer kann man doch nicht Griechenland allein überlassen.

Haben Sie Verständnis für die Befürchtung von Bürgern, dass die Behörden Gefährder nicht mehr im Griff haben, wenn sie nicht einmal wissen, wie viele eingereist sind?

Laschet Die 2000 Gefährder, davon 500 in Nordrhein-Westfalen, sind ein Sicherheitsrisiko. Auch ein Teil der Terroristen von Paris war den Behörden bekannt. Die Gefahr geht nicht von Flüchtlingen aus, sondern vor allem von dschihadistischen Syrien-Rückkehrern, die anfällig für Islamismus sind und zum großen Teil auch deutsche Staatsbürger sind. Bürgerliche Menschen hat es in der Vergangenheit ausgezeichnet, dass sie im Gegensatz zu Linken sachlich an die Dinge herangehen, statt ängstlich und panisch an Verschwörungstheorien zu hängen. Gerade bürgerlich-konservative Leute sollte es auszeichnen, zu differenzieren und die Konsequenzen sauber zu analysieren.

Würden Sie derzeit als Ministerpräsident in NRW etwas anders machen?

Laschet Vieles. Die Landesregierung hat kein Konzept. Im Sommer habe ich bereits große Erstaufnahmereinrichtungen verlangt, in denen die Verfahren für Bewerber mit nur geringen Anerkennungschancen konzentriert werden. Wer keinen Anspruch hat, darf gar nicht erst in die Kommunen überwiesen werden, sondern muss in sein Heimatland zurückgeführt werden. Und wer hier bleibt, sollte schnell Deutsch lernen und integriert werden. Darum kümmert sich Frau Kraft so gut wie gar nicht. Zum anderen hat NRW bis vor kurzem den Kommunen nur 30 Prozent der Kosten erstattet, Bayern hingegen 100 Prozent. Und auch bei den Rückführungen würde ich die Bundesgesetze 1:1 umsetzen statt, wie Frau Kraft, viele, viele Ausnahmen zu machen, um Rückführungsregeln zu unterlaufen.

Die CSU will beim Parteitag eine Obergrenze beschließen, wie geht die CDU damit um?

Laschet Ich habe den CSU-Beschluss gelesen. Er nennt keine Zahl als Obergrenze und er stellt das Grundrecht auf Asyl nicht in Frage. Den Vorschlag, zu Kontingenten in Absprache mit der Türkei zu kommen, hat auch die Bundeskanzlerin schon gemacht. Er könnte geordnetere Verfahren ermöglichen und den Schleppern das Handwerk legen. Das ändert aber nichts daran, dass das grundgesetzlich geschützte Recht auf individuelle Prüfung bleibt.

Es bleibt also nur die pure Hoffnung, dass dann neben den Kontingenten nicht mehr so viele auf eigene Faust kommen?

Laschet Ja, unabhängig von den vielen Schlagworten und täglich neuen Ideen, die einzelne in die Welt setzen, gibt es in der Sache zwischen CSU, SPD und CDU viel Übereinstimmung. In Krisenzeiten muss man besonnen und an der Sache orientiert agieren.

Was sagen Sie zu Forderungen nach Grenzschließung und Grenzkontrollen?

Laschet Ich glaube nicht, dass man europäische Flüchtlingsbewegungen zwischen Berchtesgaden, Freilassing und Salzburg stoppen kann. Das schlägt die CSU auch gar nicht vor. Wer so lange unter Lebensgefahr unterwegs war, wird auch bei geschlossenen Grenzen einen Weg über die grüne Grenze finden, um einen Antrag zu stellen. Wir müssen an den Außengrenzen verhindern, dass jemand in die Boote steigt und unter Lebensgefahr nach Europa will.

Sollte Deutschland den Staaten die Entwicklungshilfe streichen, die ihre Menschen nicht mehr zurücknehmen?

Laschet Ja. Es gehört in jede zwischenstaatliche Vereinbarung hinein, dass Partner von Entwicklungszusammenarbeit auch abgelehnte Asylbewerber zurücknehmen.

Wie erleben Sie die CDU-Basis? Sind bei diesem Flüchtlingskurs noch alle an Bord?

Laschet Bei uns wird natürlich wie in jeder Familie und an jedem Stammtisch kontrovers diskutiert. Aber immer dann, wenn man das gesamte Konzept erläutert und die Idee zur Lösung klar wird, gehen die Menschen mit. Christliche Grundwerte sind in der CDU tief verankert. In der Flüchtlingspolitik können wir deutlich machen, wofür das C steht. So viel Lob der Kirchen, auch für die Bundeskanzlerin, haben wir seit Langem nicht mehr gehört. Darauf kann die CDU stolz sein.

Und wenn es trotzdem nicht klappt? Kann Deutschland denn Jahr für Jahr eine Million Flüchtlinge verkraften?

Laschet Nein. Zwei Feststellungen gelten. Erstens: Das Grundrecht auf Asyl kennt keine Obergrenze. Zweitens: Wir können nicht jedes Jahr über eine Million Menschen aufnehmen. Deshalb müssen wir Lösungen der Mitte finden, die die Zahl reduzieren und das Grundrecht erhalten.

Gregor Mayntz führte das Interview.

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(may-)
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