Rund 200.000 Fälle in 2017 Zahl der Asylklagen hat sich verdoppelt

Berlin · Seit 2015 sind weit mehr als 1,4 Millionen Migranten und Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Viele bekommen kein Asyl und müssen wieder ausreisen - und klagen dagegen vor Gericht. Wie kommt die Justiz damit zurecht?

 Die Verwaltungsgerichte müssen sich immer öfter mit Klagen abgelehnter Asylbewerber beschäftigen (Symbolbild).

Die Verwaltungsgerichte müssen sich immer öfter mit Klagen abgelehnter Asylbewerber beschäftigen (Symbolbild).

Foto: RP/Endermann

Die deutsche Justiz ächzt unter immer mehr Klagen abgelehnter Asylbewerber. Die Zahl der Verfahren hat sich im abgelaufenen Jahr gegenüber 2016 auf rund 200.000 verdoppelt, wie der Vorsitzende des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter, Robert Seegmüller, in Berlin sagte. Die bundesweit 51 Verwaltungsgerichte erster Instanz stelle dies vor große Probleme.

Denn auch die gezielte Personalverstärkung um rund 400 auf inzwischen rund 1700 Stellen reiche nicht aus, um das massive Plus aufzufangen. "Die Zahl der bei den Verwaltungsgerichten anhängigen Asylklagen hat sich daher im vergangenen Jahr deutlich erhöht: Von rund 70.000 auf 320.000", sagte Seegmüller. Die Justizverwaltungen der Länder müssten nun "überlegen, zum Abbau des aufgelaufenen Bergs vorübergehend weiteres Personal zur Verfügung zu stellen".

Hintergrund des Anstiegs ist der massive Zustrom von Migranten. Allein 2015 waren rund 890.000 Flüchtlinge nach Deutschland gekommen, 2016 waren es rund 280.000. In diesem Jahr erwartet die Regierung etwas weniger als 200.000 neu ankommende Menschen.

Seegmüller sagte, die "Asylkrise" habe auch Schwächen des Prozessrechts offenbart. So seien die Regeln für Beweisanträge und Ablehnungsgesuche zu schwerfällig. Und die Anhörung des Klägers nehme in mündlichen Verhandlungen auch dann breiten Raum ein, wenn an der Anhörung beim Bundesamt für Flüchtlinge und Migration eigentlich nichts auszusetzen sei.

Größter Schwachpunkt des Prozessrechts ist nach Seegmüllers Einschätzung aber, dass es die zweite und dritte Instanz kaum schaffe, Fragen tatsächlicher und rechtlicher Art schnell grundsätzlich zu entscheiden - und so bundesweit "Leitlinien" für eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen. Die oft uneinheitliche Rechtsprechung und zu späte Entscheidungen seien aber "wesentliche Quelle" für zusätzliche Verfahren.

Nach Ansicht Seegmüllers steht auch in Frage, ob das Asylrecht an sich noch zeitgemäß sei. Dies gelte etwa für den weit gefassten Flüchtlingsbegriff des EU-Rechts und der Genfer Flüchtlingskonvention. Gerade im europäischen Recht gebe es überdies bisher "zu viele vage und konturlose Rechtsbegriffe und zu viele unklare und unsystematische Vorschriften".

(wer)
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