Sexismus-Vorwürfe gegen FDP-Politiker Brüderle #aufschrei in Zeiten des Wahlkampfs

Berlin · Seit Tagen steht FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle wegen Sexismus-Vorwürfen im Licht der Öffentlichkeit. Der Parteichef der Liberalen, Philipp Rösler, spricht nun von einer "Kampagne gegen die gesamte FDP". Und das wenige Monate vor der Bundestagswahl. Doch schadet der Partei die Debatte wirklich?

 Die Journalistin Laura Himmelreich (r.) hatte die Vorwürfe gegen Brüderle erhoben.

Die Journalistin Laura Himmelreich (r.) hatte die Vorwürfe gegen Brüderle erhoben.

Foto: dpa, Hermann Pentermann

Für die FDP ist klar: Sie stellt sich eindeutig hinter ihren Fraktionschef. Viele sagen, die Diskussion fördere den Zusammenhalt in der Partei. Auch wenn Brüderle selbst sich nicht zu den Vorwürfen einer "Stern"-Journalistin, der FDP-Politiker sei in einer Hotel-Bar aufdringlich geworden, äußern will, so macht dies nun doch der Parteichef.

Philipp Rösler erklärte im "Kölner Stadtanzeiger": "Die Vorwürfe gegen ihn sind durchsichtig und haltlos" und fügte hinzu: "Das ist eine Kampagne gegen die gesamte FDP." Ähnlich hatten sich schon andere innerhalb der Partei im Vorfeld geäußert. Von parteipolitischer Intonierung (Generalsekretär Patrick Döring) oder "komischer Inszenierung gegen Brüderle und die FDP" (der stellvertretende Parteivorsitzende Holger Zastrow) war da die Rede.

Rösler: "Bitte auf der Sachebene"

Die Debatte kommt der FDP höchst ungelegen, auch wenn Rösler eine gesellschaftliche Debatte über Sexismus für notwendig hält, "aber bitte auf der Sachebene und nicht mit aggressiver Polemik". Denn in nur wenigen Monaten ist die Bundestagswahl, und die Partei hatte nach dem unerwartet guten Abschneiden in Niedersachsen und dem Wechsel zu einem Spitzenkandidaten Brüderle einen kleinen Neuanfang versucht nach all den Monaten im Dauer-Umfragetief.

Dass die Vorwürfe der Journalistin nur wenige Tage nach Brüderles Nominierung auftauchten, stößt da nicht nur liberalen Politikern bitter auf. Aber genau das sehen Experten auch als Vorteil für die Liberalen. So sagte der Politikwissenschaftler Jürgen W. Falter in der "Bild"-Zeitung: "Es gibt noch keine seriösen Umfragen, aber nach meinem Eindruck halten sehr viele Leute den Artikel für scheinheilig." Und Klaus Peter Schöppner vom Meinungsforschungsinstitut Emnid sagte der Zeitung: "Ich glaube nicht, dass die Debatte Brüderle schadet. Die Geschichte trägt nicht sehr weit."

Dennoch dürften sich die Liberalen in diesen Tagen etwas anderes wünschen als eine Diskussion über ihren Spitzenkandidaten. Denn letzlich lenkt dies auch von dem ab, was eigentlich im Mittelpunkt stehen sollte: die politische Arbeit. Schließlich hat die FDP durch die Wahlen in Niedersachsen einen kleinen Schwung bekommen und muss nun versuchen, diesen für den Bundestagswahlkampf zu nutzen.

Keine Schützenhilfe von der Union

Von der Union, so steht jedenfalls jetzt schon fest, wird es keine Schützenhilfe geben — zumal die Partei so manche Stimme in Niedersachsen an die Liberalen verloren hatte. Manch einer sprach von einer "heimlichen Zweitstimmenkampagne". Nun zieht die Union die Konsequenzen. Entsprechnd gilt es für die FDP, nun wieder thematisch zu punkten. Doch das ist schwierig, so lange die Debatte um ihren Spitzenkandidaten anhält.

Denn auch für die Liberalen dürfte trotz des guten Wahlergebnisses in Niedersachsen klar sein, dass sie noch lange nicht über den demografischen Berg sind. Zu lange haben sie im Umfragetief verharrt, zu massiv waren die Tiefschläge der vergangenen Monate. Niedersachsen war ein Augenblick, der sich schnell wieder ins Gegenteil verkehren kann. Und genau das gilt es für die Partei nun zu verhindern.

Klaus Peter Schöppner sieht in der Debatte allerdings auch Vorteile für die Liberalen, wie er in der "Bild"-Zeitung sagte: "Die Debatte kann der FDP sogar nutzen, weil viele Leute sie für übertrieben halten." Doch letztlich dürften viele Liberale erleichtert aufatmen, wenn sich der Wirbel langsam wieder legt.

mit Agenturmaterial

(das)
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