Neue Umweltministerin Barbara Hendricks - Sonderauftrag für NRW

Berlin · Bei den Ministernamen zählte Barbara Hendricks zu den Überraschungen. Hinter den Kulissen der SPD zählt die Finanzfachfrau aus Kleve jedoch schon lange als eine feste Größe. Nun tritt sie als Umweltministerin in die erste Reihe. Wegen besonderer NRW-Interessen zählt auch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft auf sie.

 Die neue Umweltministerin Barbara Hendricks gilt als so temperamentvoll wie fachlich versiert.

Die neue Umweltministerin Barbara Hendricks gilt als so temperamentvoll wie fachlich versiert.

Foto: dpa, Hannibal Hanschke

Als nächste Bundesumweltministerin verantwortet die 61-jährige Hendricks künftig ein Themenfeld, auf dem sie sich bislang nicht besonders profiliert hat. Die gelernte Gymnasiallehrerin vom Niederrhein hat sich vor allem als Finanzexpertin einen Namen gemacht; in den vergangenen sechs Jahren war sie als Schatzmeisterin für die SPD-Finanzen zuständig.

Dennoch verteilt NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) Vorschussloorbeeren. Sie erwartet durch Hendricks eine Stärkung der nordrhein-westfälischen Interessen. Kraft betonte am Sonntag, dass die SPD-Politikerin aus Kleve in dem neu zugeschnittenen Ressort auch für den - "gerade für NRW wichtigen" - Bereich Städtebau und Wohnen zuständig sein werde.

"Wir freuen uns sehr darüber, dass mit Barbara Hendricks eine führende Sozialdemokratin aus Nordrhein-Westfalen in der zukünftigen Bundesregierung das Ressort für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit übernehmen wird", teilte Kraft mit. Die Sozialdemokraten hatten zuvor die Besetzung der sechs SPD-geführten Ministerien bekanntgegeben.

Als erstes wird sich Hendricks nun in ein schwieriges Themenfeld einarbeiten müssen, zu dem unter anderem die Klimapolitik mit ihren aufreibenden internationalen Konferenzen zählt. Als zweites wird sie einen Verdacht ausräumen müssen, der ihre Ernennung zur Ministerin begleitet - nämlich, dass sie vor allem von Proporzerwägungen profitiert hat: Hendricks stammt aus dem mitgliederstärksten SPD-Landesverband NRW, der im Kabinett vertreten sein möchte. Und sie ist eine Frau.

Sie weiß sich in Neues einzuarbeiten

Dass Hendricks das Umweltministeramt ohne spezielle Vorkenntnisse antritt, hat sie mit dem scheidenden Amtsinhaber Peter Altmaier von der CDU gemein. In ihrer bisherigen Karriere hat die im niederrheinischen Kleve geborene Hendricks durchaus unter Beweis gestellt, dass sie sich auf verschiedenen Felder bewähren kann.

Studiert hat sie Geschichte und Sozialwissenschaft, es folgte eine Promotion über die Margarineindustrie am Niederrhein. Bereits 1978 stieß die engagierte Katholikin zur SPD, zunächst als Mitarbeiterin der Pressestelle des Landesverbands Nordrhein-Westfalen.

Die typische Ochsentour

Es folgte die typisch sozialdemokratische Ochsentour: Politisches Engagement im Kreisverband Kleve, seit 1989 als Kreisvorsitzende. Parallel dazu der berufliche Aufstieg in der SPD-durchwirkten Ministerialbürokratie in Nordrhein-Westfalen. 1994 wurde Hendricks in den Bundestag gewählt, im Jahr 1998 kam sie dann als Staatssekretärin ins Bundesfinanzministerium - zunächst unter Oskar Lafontaine. Sie blieb auch unter Hans Eichel und Peer Steinbrück.

Aus frühen Jahren als Landtagsabgeordnete in NRW ist nun mit ihrem Aufstieg in die erste Reihe eine Geschichte aufgetaucht, die ihr bisweilen heißblütiges Temperament illustriert. Der Erzählung eines CDU-Politikers zufolge hatte Hendricks Ende der 80er Jahre in der Kantine des nordrhein-westfälischen Landtags für einen Eklat gesorgt.

"Burning Barbara"

Während einer Diskussion mit dem CDU-Kollegen Hartmut Schauerte über die SPD-Haushaltspolitik habe sie versehentlich ihre Zigarette auf seinem Handrücken ausgedrückt, erzählte dieser der "Welt am Sonntag". Er sei "entsetzt" gewesen, "aber ich bin ruhig geblieben und habe von ihr eine Entschuldigung gefordert". Hendricks, damals Sprecherin des nordrhein-westfälischen Finanzministers, habe sich einen Tag später entschuldigt. In der CDU kursiere seitdem der Spitzname "Burning Barbara" für Hendricks, schrieb die Zeitung.

Schauerte sagte der Zeitung, er habe Hendricks als "seriöse Politikerin kennen gelernt, die beharrlich an ihren Themen arbeitet". Beide wechselten 1994 als Abgeordnete in den Bundestag und begegneten sich in der schwarz-roten Bundesregierung zwischen 2005 und 2009 wieder: Hendricks war Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, Schauerte parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium.

In der Partei werden ihr Organisationstalent und Durchsetzungskraft bescheinigt. Hendricks selbst gab einmal als ihr Ziel aus, zu zeigen, dass auch Sozialdemokraten mit Geld umgehen können. In den vergangenen Jahren war sie im Bundestagsausschuss für Entwicklung aktiv, weshalb sie auch als künftige Entwicklungshilfeministerin gehandelt worden war.

NRW hat ganz eigene Interessen

Das Bundesumweltministerium, ihr künftiges Ressort, wird mit dem Antritt der großen Koalition abgespeckt. Die mit der Energiewende befassten Referate wechseln in das neue Superministerium für Wirtschaft und Energie, geleitet von Parteichef Sigmar Gabriel. Streitigkeiten zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium hatten in den Jahre der schwarz-gelben Koalition die ohnehin schwierige Energiewende immer wieder zusätzlich ausgebremst.

Klimaschützer werden genau schauen, ob sich Hendricks im neuen Amt mit aller Kraft dem Schutz der Ozonschicht widmet - oder doch auch die Interessen der einflussreichen Schwerindustrie in ihrem Heimatland Nordrhein-Westfalen im Blick hat. In diesem Falle könnte Hendricks schnell unter Verdacht geraten, vor allem politische Statthalterin der mächtigen NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in Berlin zu sein.

Mehr Infos zum neuen Kabinett

(AFP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort