Interview mit Joachim Herrmann "Wir haben eine Obergrenze erreicht"

Berlin · Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann fordert mehr Unterstützung vom Bund für Abschiebungen.

 Joachim Herrmann vor einer Sitzung des CSU-Präsidiums (Archivfoto).

Joachim Herrmann vor einer Sitzung des CSU-Präsidiums (Archivfoto).

Foto: Matthias Balk/dpa

Herr Herrmann, Union und SPD haben sich darauf geeinigt, dass höchstens 180.000 bis 220.000 Flüchtlinge pro Jahr kommen sollen. Ist das nun eine Obergrenze?

Herrmann Ja, mit dem Bekenntnis von Union und SPD, dass die Flüchtlingszahlen die Spanne von jährlich 180.000 bis 220.000 Flüchtlinge nicht übersteigen werden, haben wir eine Obergrenze erreicht. Der Zuzug von Flüchtlingen nach Deutschland muss begrenzt werden, um die Integrationsfähigkeit Deutschlands nicht zu überfordern.

Wird sich im Koalitionsvertrag widerspiegeln, dass in den nächsten Jahren vor allem die Integration vorangebracht werden muss?

Herrmann Diejenigen, die Bleiberecht haben, müssen wir bestmöglich und schnellstmöglich integrieren. Sie müssen die deutsche Sprache lernen und möglichst rasch ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Daran müssen wir arbeiten. Wir müssen fördern und fordern. Niemand darf sich bei dem Thema ausklinken. Es geht um die Zukunftschancen der anerkannten Flüchtlinge, aber vor allem auch um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.

Wie verbindlich muss man beim Thema Integration sein?

Herrmann Integration muss für alle Beteiligten absolut verbindlich sein. Der Staat macht gigantische Angebote und betreibt einen großen finanziellen Aufwand für die Flüchtlinge. Im Gegenzug gibt es eine Bringschuld der Flüchtlinge, die der Staat konsequent einfordern muss.

Wenn das nicht gelingt?

Herrmann Wenn jemand nicht bereit ist, sich zu integrieren, muss es klare Sanktionen geben. Wer die deutsche Sprache nicht erlernen möchte, gegen den sollten auch Bußgelder verhängt oder Sozialleistungen gekürzt werden. Wer hier zu viel Nachsicht zeigt, tut der Integration keinen Gefallen. Zudem müssen wir diejenigen, die kein Bleiberecht haben, konsequent in ihre Heimatländer zurückführen.

Die Zahl der Rückführungen ist zuletzt wieder gesunken. Müssen Bund und Länder also konsequenter werden?

Herrmann In Bayern ist die Zahl der Rückführungen leicht gestiegen. Es gab im vergangenen fast Jahr 3300 Abschiebungen und mehr als 13.100 freiwillige Ausreisen. Wir wollen die Rückführungen in diesem Jahr aber weiter intensivieren. Wer kein Recht hat, in Deutschland zu bleiben, der muss auch unser Land wieder verlassen. Ich erwarte von allen Bundesländern, dass sie entsprechend aktiv sind. Wir erwarten vom Bund eine bessere Unterstützung bei den Rückführungen. Es gibt vor allem in Afrika eine Reihe von Herkunftsländern, die bei der Rücknahme ihrer Bürger nicht mit uns kooperieren - die zum Beispiel nicht die richtigen Passersatzpapiere beschaffen. Auf diese Länder muss der Bund mehr Druck ausüben.

Geht es dabei um die Maghreb-Staaten in Nordafrika?

Herrmann Es geht leider um eine ganze Reihe afrikanischer Länder.

Werden die Koalitionsverhandlungen am Wochenende oder spätestens am Dienstag abgeschlossen sein?

Herrmann Da bin ich zuversichtlich. Die Gespräche sind nach wie vor schwierig, aber insgesamt konstruktiv und zielorientiert.

Wo liegen die größten Differenzen bei Innen, Recht und Integration

Herrmann Ich möchte den Verhandlungserfolg nicht gefährden, indem ich Differenzen öffentlich aufzähle. Einig sind wir uns aber darin, dass wir mehr Polizei in Deutschland brauchen. Union und SPD hatten im Wahlprogramm stehen, dass wir zusätzlich 15.000 Polizeistellen schaffen wollen. Das wollen wir gemeinsam umsetzen. Die Verstärkung der Polizei alleine reicht aber nicht. Wir erwarten auch, dass die Länder mehr Stellen in der Justiz schaffen.

Sind die Verhandlungen mit der SPD schwieriger als vor vier Jahren?

Herrmann Ja. Insgesamt empfinde ich die Gespräche mit der SPD als schwieriger als vor vier Jahren. Das ist keine Frage. Vor vier Jahren wollten alle die Koalition. Jetzt spiegelt sich die Stimmung gegen eine große Koalition, die in Teilen der SPD vorhanden ist, auch bei manchen Gesprächspartnern wider. Zudem sind die inhaltlichen Diskrepanzen bei einigen Themen wirklich groß.

Ist es für die CSU mit Blick auf den Wahlkampf in Bayern wichtig, dass sie sich an einer stabilen Regierung beteiligt?

Herrmann Deutschland braucht eine handlungsfähige Regierung und daran will die CSU gerne mitwirken. Das ist keine wahltaktische Frage. Bei den Themen achten wir natürlich darauf, dass sich die CSU in der Politik der neuen Bundesregierung wiederfindet. Das schulden wir unseren Wählerinnen und Wählern, die uns bei der Bundestagswahl ihr Vertrauen geschenkt haben.

Uns steht der Höhepunkt der Karnevalssaison bevor. Gibt es derzeit eine besondere Gefährdungslage?

Herrmann Derzeit gibt es keinerlei konkrete Hinweise auf geplante Anschläge rund um die Faschingstage. Eine allgemeine Terrorgefahr ist aber vorhanden. Die Sicherheitsbehörden sind in ganz Deutschland auf der Hut, um die großen öffentlichen Veranstaltungen bestmöglich vor Anschlägen zu schützen.

Zu welchen Sicherheitsvorkehrungen raten Sie den Narren, die auf der Straße in der Menge feiern wollen?

Herrmann Beim Feiern auf der Straße drohen Delikte wie Taschendiebstahl, Handgreiflichkeiten oder auch sexuelle Belästigungen. Im Fall von körperlichen Übergriffen ist es immer ratsam, sich der Solidarität anderer Menschen zu versichern und rasch die Polizei zur Hilfe zu rufen. Die Bayerische Polizei jedenfalls wird in solchen Fällen schnell und konsequent eingreifen.

Mit Joachim Herrmann sprach Eva Quadbeck.

(qua)
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