AfD-Politikerin sorgt für Aufsehen Für Beatrix von Storch sind andere Meinungen oft "irre"

Düsseldorf · Bei "Anne Will" nutzte die AfD-Politikerin Beatrix von Storch die Fernseh-Bühne und setzte sich für eine rigorose Zurückweisung von Flüchtlingen ein. Greller Höhepunkt: Andeutungen über eine Flucht der Kanzlerin nach Chile. Wer ist diese Frau? Eine Annäherung.

 Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch bietet gerne einfache Lösungen an.

Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch bietet gerne einfache Lösungen an.

Foto: dpa, sts hpl

Mitte Januar hat die Berliner AfD Beatrix von Storch zu ihrer neuen Landesvorsitzenden gewählt. Sie soll den Landesverband auf Trab bringen. "Berlin hat viel mehr Potenzial als die aktuellen Umfragen widerspiegeln", heißt es im Vorstand. Und diesen Schatz soll von Storch heben. Die Hoffnungen sind groß. Denn die 44-jährige stellvertretende Bundesvorsitzende gilt als erfahrener Polit-Profi mit einem Talent für Kampagnen.

Mit der neuen Aufgabe in Berlin ist die Bedeutung der aktuellen EU-Parlamentarierin in der AfD weiter gewachsen. Sie ist es nun, die bei Anne Will auf dem Gästestuhl sitzt, und nicht die Stammgäste Frauke Petry oder Alexander Gauland. Auch insofern erinnerte ihr Besuch bei Anne Will an den Deutschland-Fahnen-Auftritt ihres Parteikollegen Björn Höcke. Auch er wurde tags darauf zur Berühmtheit.

Waren es bei Höcke noch das Fähnchen auf der Stuhllehne und Vorwürfe gegen die Lügenpresse, reichte bei Beatrix von Storch eine kurze Bemerkung über Kanzlerin Angela Merkel. Anne Will hatte ihr ein Facebook-Posting von Mitte Januar vorgehalten, wonach Merkel das Land nach ihrem baldigen Rücktritt verlassen werde - und zwar aus Sicherheitsgründen.

"Damit meine ich das Gerücht, dass sie nach Chile oder Südamerika geht, das wird auch schon diskutiert", erklärte von Storch mit bemerkenswerter Selbstverständlichkeit auf Nachfrage der Moderatorin. Dabei hatte sie noch wenige Minuten zuvor beteuert, die AfD habe sich die Versachlichung der Flüchtlingsdebatte auf die Fahnen geschrieben.

Was man der EU-Parlamentarierin kaum absprechen kann, ist ein Talent zur Zuspitzung. "Wenn sie Go sagt, dann laufen bei uns die Postfächer über", zitierte einmal die "FAZ" einen Parteikollegen. Ob sie dabei aus strategischen Gründen bewusst vereinfacht oder glaubt, Probleme tatsächlich mit ihren Rezepten lösen zu können, lässt sich kaum mit Gewissheit sagen.

Bei Will jedenfalls machte sie sich für eine simpel klingende Lösung der Flüchtlingskrise stark: Merkel müsse den Magneten abschalten, der Flüchtlinge anziehe. An, Aus. Ein Anti-Willkommens-Signal werde die Flüchtlingszahlen reduzieren. Zudem will sie zurück zur strikten Anwendung der Dublin-Regeln und alle Menschen abweisen, die über europäische Binnengrenzen nach Deutschland kommen wollen. "Wenn wir uns daran halten, brauchen wie keine Obergrenze", so von Storch. Mit den Kategorien des Rechts kennt sie sich aus. Nach dem Jura-Studium in Heidelberg und Lausanne arbeitete sie als Rechtsanwältin. Schwerpunkt: Insolvenzrecht.

In ihren Äußerungen bei Facebook teilt sie die Welt gerne in Schwarz und Weiß. Bisweilen sogar in gesund und geisteskrank. Wer nicht ihrer Auffassung ist, gehört oftmals auf die Couch. "Der Augstein nimmt Drogen. Oder er muss zum Arzt", kommentiert sie einen Text des Journalisten über die Silvesternacht von Köln. "Gibt es einen medizinischen Ausdruck für diesen Geisteszustand?", fragt sie nach einem Zitat des EU-Kommissionschefs Jean-Claude-Juncker, in dem er die Flüchtlingszahlen im Libanon auf die EU hochrechnet: 100 Millionen Menschen.

Sie wettert gegen "staatliche Umerziehung"

Als "verrückt" bezeichnet sie gerne auch die Positionen der Genderbewegung. Von Storch setzt sich mit Inbrunst ein für ein christlich-konservatives Familienbild, eine frühe Sexualerziehung ist ihr ein Gräuel. Dann wettert sie gegen "staatliche Umerziehung". "Lasst in Gottes Namen die Hände von den Kindern", rief sie im Juni im EU-Parlament der Weltgesundheitsorganisation zu, die eine Liste mit Empfehlungen für Sexualerziehung herausgegeben hatte. Abtreibung möchte sie komplett verbieten, eine Kampagne zum Gebrauch von Kondomen konterte sie mit einem Gegenappell: "Schützt euch, indem ihr enthaltsam seid."

Aufgewachsen ist sie als Beatrix Herzogin von Oldenburg in Schleswig-Holstein als Spross einer Familie mit uralter Adelsgeschichte. Auch bei der Hochzeit fiel die Wahl auf einen Mann mit einem "von" im Namen: den deutsch-chilenischen Kaufmann Sven von Storch. Er ist eng mit ihrer Arbeit verbunden. Zusammen bauten sie politische Netzwerke auf, gründeten den Verein "Zivile Koalition" und betreiben mehrere Websites wie die "Freie Welt". Diese Plattformen sollen ihrer Sicht auf die Welt eine Stimme geben. Er arbeitet im Hintergrund, sie ist für die Öffentlichkeit zuständig.

Ihre Positionen sind dabei oftmals so kategorisch wie entschieden. Auch wenn es persönlich wird. Das bekam im Sommer 2015 unter anderem Bernd Lucke zu spüren, ehemalige Führungsfigur der AfD. Von Storch war es, die ihm kurz vor dem endgültigen Bruch den Austritt nahegelegt hatte. Lucke müsse sofort die Gründung einer neuen Partei ausschließen oder aber die AfD verlassen. Ähnlich scharf attackierte sie 2013 den katholischen Bischof Robert Zollitsch, nachdem der die AfD kritisiert hatte. "Die Grünen wollen die Homo-Ehe. Und Sie warnen als katholischer Bischof nicht vor den Grünen?", schimpfte von Storch.

Jetzt hat sie mit der AfD auch die Kanzlerin ins Visier genommen, die sie für die gesamte Flüchtlingskrise verantwortlich macht. Als Flaggschiff des national-konservativen Flügels fordert sie seit Wochen unisono mit "Pegida": "Merkel muss weg!" Dafür verwendet sie eine Sprache, wie man sie von Widerstandskämpfern kennt. "ACT! NOW!", schreibt sie in großen Lettern bei Facebook und ruft auf zum "Kampf gegen diese Regierung." Diese ruiniere Land und Kontinent. Nachdem Unbekannte ihr Büro in Berlin überfallen und einen Pflasterstein durch das Fenster geworfen hatten, machte sie "Merkels Sturmtruppen" dafür verantwortlich.

In der vordersten Reihe

Mit ihrem rigiden Stil hat von Storch es nun bis in die vorderste Reihe der AfD geschafft. Dabei eckt sie nicht nur in Talkshows an. Gleiches gilt auch für die AfD, der sie sich 2013 nach ihrem Austritt aus der FDP anschloss. Frühere Wegbegleiter warfen ihr Homophobie und ein reaktionäres Familienbild vor, der Berliner Bezirkschef Franz Niggemann warf ihretwegen die Brocken hin. Auch Lucke soll wenig erfreut gewesen sein, als sie für die AfD ins EU-Parlament einzog. Galt sie damals noch als Rechtsausleger, gehören ihre Positionen nun zum Mainstream in der AfD.

(pst)
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